Schublade auf, „Ach ja – die Tochter/Ex-Frau von…“ und die Schublade wieder zugemacht. Wer in diese Falle tappt, hat Pech. Verpasst eine vor Lebenslust und Engagement sprudelnde Frau. Für die sich jetzt ein Kreis geschlossen hat.
Wasserburg – Marie Theres Kroetz-Relin ist nach drei Jahrzehnten in die Stadt ihrer Kindheit zurückgekehrt, in eine schnuckelige kleine Wohnung mit Charakter und Charme in der Altstadt. „Ich fühle mich sauwohl“, sagt sie mit einem breiten Grinsen. Beim Einkaufen lief sie Klassenkameraden – eigenen oder denen des Bruders – über den Weg, Freundin und Freund aus Kindertagen sind glücklich, dass sie wieder da ist. Und wenn sie von Münchner Freunden gefragt wird „warum Wasserburg?“, dann sagt sie: „Ich bin in die einzige Stadt in Deutschland gezogen, in der eine Straße nach meiner Mutter benannt ist“.
Bis sie 16 Jahre alt war, lebte Marie Theres Kroetz-Relin mit ihren Eltern und Bruder Oliver in einer Hollywood-Villa in Heberthal. „Ich habe den Blick auf den Inn geliebt“, sagt sie. Die Abgeschiedenheit machte ihr nicht viel aus, nur wenn „Besuch“ aus Attel oder Gabersee im Garten stand, dann fand das kleine Mädchen das etwas unheimlich.
Grundschule in Attel, dann ins Wasserburger Gymnasium, wo sich Marie Theres, die damals den Geburtsnamen ihres Vaters als Nachnamen trug, nicht nur von den Klassenkameraden, sondern vor allem von den Lehrern, wegen ihrer Mutter einiges anhören durfte. Von den Lehrern, die dann vor Ehrfurcht schier auf dem Bauch lagen, wenn Maria Schell in die Schule ihrer Kinder kam. „Es gab aber Gott sei Dank auch ein paar sehr nette Lehrer.“
Mit 16 dann raus aus Wasserburg, in die weite Welt – und vor die Kamera. Sehr schnell sehr erfolgreich. Und dann kam Kroetz. Es kamen drei Kinder. „Wie man das auf dem Land eben so macht: Von Wasserburg nach Altenmarkt geheiratet, nach der Scheidung nach Trostberg, damit es die Kinder nicht so weit haben. Jetzt sind die Kinder groß, leben in München – mit dem ersten Enkelkind – und ich ziehe nach Wasserburg zurück“, lacht Marie Theres Kroetz-Relin. Zurück zu den Wurzeln. Das Einzige, was schwierig werden könnte, befürchtet sie, ist die ewige „Mausi“, den so wahnsinnig öffentlichen Kosenamen los zu werden, die Marie Theres zu etablieren.
Die begeistert ist, wie sehr Wasserburg sich seit den 80er -Jahren gemausert hat – herrlich lebendig, wunderschön, die vielen kleinen Läden und Lokale: In Trostberg hat sie in den letzten Jahren die gegenteilige Erfahrung gemacht. „Dabei wäre da auch Potenzial da. Das Kulturleben zum Beispiel läuft gut, aber die Innenstadt stirbt.“
Lange lamentieren ist ihre Sache nicht. Marie Theres Kroetz-Relin wird lieber aktiv. Etabliert im Trostberger Kino die monatlichen Filme für Frauen aller Kulturen, bei denen oft über 20 Nationalitäten im Publikum sitzen. Und die übers Kinoerlebnis weit hinaus gehen. Die Frauen sind untereinander vernetzt, lernen den Umgang mit dem PC, machen einen Schwimmkurs – „beim ersten Mal noch mit Klamotten, beim zweiten Mal im Badeanzug“, erzählt Marie Theres Kroetz-Relin grinsend. Gibt ehrenamtlichen Deutschunterricht für Flüchtlinge. Nutzt ihre Netzwerke, um etwas zu erreichen, was allen hilft. „Mir passiert es oft, dass die Leute meine Kraft unterschätzen. Wenn ich Rückendeckung habe, versetze ich Berge.“ Nur Dekoration sein, nur „die Tochter von“ oder „die Ex-Frau von“, nur Feigenblatt – „nein, da mache ich ganz schnell den Schnitt.“
Jahrelang hat sie – damals überwiegend auf Teneriffa lebend – fast ausschließlich geschrieben, als Buchautorin und Journalistin, „ich liebe es, Kolumnen zu schreiben!“, jetzt zieht es sie wieder vor die Kamera. Am kommenden Sonntag um 20.15 Uhr ist sie in einem Rosamunde-Pilcher-Film zu sehen. „Ein Monat in Cornwall, in dieser unglaublichen Landschaft, mit netten Kollegen – das ist doch Luxus.“ Der noch dazu Spaß macht und sie nie angestrengt hat. Abwechslungsreiche Rollen wären schön, aber da geht wieder die Schublade auf: Der Tochter vom „Seelchen“ werden überwiegend tränendrüsendrückende Rollen angeboten. Dabei lacht sie doch so gerne. Auch über sich.
Zwei, drei Rollen im Jahr, bei ihrer Liebe zum Kino auch gerne für die große Leinwand – „oder bei den Rosenheim Cops, ich lebe ja wieder im Landkreis“ – das wäre schön. Ließe auch Raum für Kreativität und andere Projekte.
Zu diesen Projekten zählte die Biennale Bavaria International, das Festival des neuen Heimatfilms, das in acht Städten und Märkten in der Region geplant ist. Natürlich sprach der Initiator Marie Theres Kroetz-Relin an. Die fand die Idee großartig, das Festival auf dem Land nötig und nutzte ihre unzähligen Kontakte, um Prominente zum Mitmachen zu bewegen. Was gelang. Bedenken hatte sie wegen der riesigen Infrastruktur, die bei einem Festival an acht Orten notwendig ist, die ein großes Team braucht und viel Geld verschlingt. „Kleiner anfangen, mit den Kinobetreibern im Boot. Wachsen kann man immer noch“ sei ihre Überlegung gewesen, erzählt sie. Zeit, Ideen, Kontakte eingebracht „und dann erfahre ich noch nicht einmal persönlich, dass das Festival auf 2020 verschoben ist.“ Da war es wieder, das Feigenblatt-Gefühl. Da war sie sauer, die Marie Theres Kroetz-Relin.
© Sylvia Hampel, erschienen in der Wasserburger Zeitung am 07.12.2018