Wasserburger Zeitung – Bericht einer Freundschaft

Ein bunter Farbtopf voll Leben

von Marie Theres Relin

Seine Karriere war spektakulär, das Ende konsequent. Robert Atzorn spielte sich mit „Oh Gott, Herr Pfarrer“, „Unser Lehrer Dr. Specht“, Kommissar im „Tatort“ oder in „Nord Nord Mord“ in die Herzen der Zuschauer, bis er 2017 seinen Beruf an den Nagel hängte. Seine Frau Angelika, eine aufstrebende Balletttänzerin und Schauspielerin, entschied sich für ihn und die Familie. Beide zelebrieren ihre Liebe jeden Tag aufs Neue und begegnen sich auch heute noch mit viel Respekt.

Am Sonntag, den 24. Oktober um 11 Uhr kann man in Mikes Kino das in Rimsting lebende Paar in erfrischender Ehrlichkeit live erleben. Ein Heimspiel.

„Auch unser Maulwurf treibts extrem, er will unser Grundstück einfach nicht verlassen!“, schrieb mir Robert in einer Mail. Jeder der Robert und Angelika kennenlernen durfte, kann nachvollziehen, warum der Maulwurf nicht gehen will. Bei diesen beiden Herzensmenschen fühlt man sich einfach wohl!
Es war einer dieser kleinen Momente, die ganz viel in meinem Leben verändern würden. Eine Bereicherung schlummerte ganz unverhofft in einem Bruchteil von Sekunden und peng – eine Freundschaft ward geboren.Es war der 31. Januar 2020. Hubertus Meyer-Burckhardt trat die letzte von vier grandiosen und ausverkauften Lesungen aus seinem Buch „Diese ganze Scheiße mit der Zeit“ in der Region18 – um genau zu sein in Mikes Kino in Prien am Chiemsee – an. Beim Einlass stupste mich die Kinobetreiberin Martina Engel: „Da kommt mein Nachbar Robert Atzorn und seine Frau Angelika“. Ich stürzte sofort auf ihn zu. „Wollen Sie mein Star sein?“ Er musste lachen und sich gedacht haben, „was ist denn das für ein verrücktes Huhn?“, so ungestüm war ich in meinem „Promi-ergattern“.
Wir tauschten Adressen aus und trafen uns, es schwappte von beiden Seiten gute Energien von A nach B, das Ehepaar erzählte mir vom gemeinsamen Buch, Pläne für Lesungen wurden geschmiedet und dann kam Madame Corona angerauscht. Alles stagnierte nur unsere Freundschaft, die wuchs!

Im Juli 2020 wollte ich den ganzen Corona-Bestimmungen auf legalem Wege ein Schnippchen schlagen: Rent a kino, rent a star. Kino mieten, Film gucken, eigenen Star dabei haben. WinWin for everybody. Spontan rief ich Robert an. In einem Atemzug und drei Minuten sprudele ich ihm meine Idee entgegen. Er lachte und sagte mit seiner unverkennbaren sexy Stimme: „Klar, bin ich dabei. Ich liebe Kino. Nur schad’, dass ich die Filme von mir schon kenne.“ Yeah. Rent a Robert! Die Kinofans waren aber doch eher Corona-ängstlich gestimmt, keiner traute sich das Angebot in Anspruch zu nehmen.

Im September 2020 erschien mit einem halben Jahr Verspätung das Buch „Duschen und Zähneputzen – Was im Leben wirklich zählt“. Ich verschlang es mit einer kleinen Verwunderung: Das Geschriebene war so authentisch, so liebevoll erzählt, dass man das Gefühl hatte, man sitze direkt in Atzorns Küche bei einem Glas Wein und einem fantastischen Mahl, welches Angelika jeweils zauberte. Der Humor der beiden, gerade auch mit Blick auf die Schrecken des Lebens, ist einfach fabelhaft. Was gibt es Schöneres, wenn man über die Fauxpas des Daseins lachen kann? Eben weil die Ehrlichkeit einen an die eigenen Missgeschicke erinnert und es so tröstlich ist, dass ein Paar so offen über seine Lebenserfahrung schreibt.

Schön, wenn all das in Worten festgehalten ist, spannend wirds aber, wenn man bei der Lesung geradezu in die Geschichten schlüpft. Die beiden interpretieren ihren Lebenslauf dermaßen gekonnt, dass man meint, dabei gewesen zu sein. Ich jedenfalls wohnte dem ersten Ehestreit auf der Hochzeitsreise bei, stand mit Robert zitternd auf der Bühne, erlebte Angelikas Karriereaufgeben im déjà vu und auch ihr Leben im Off, zog x Male mit den beiden um, erfuhr viel über die Nachkriegskindheit, sah, wie Robert seinen Ehering einer Bettlerin in die Hand drückte und war auch dabei, als er die Haare in den unmöglichsten Farben gefärbt bekam. Herzliche Einladung an alle, die mit mir in den bunten Farbtopf des Atzorn-Lebens eintauchen wollen. Es lohnt sich. Ich möchte die beiden nicht mehr vermissen – genauso wenig wie ihr Maulwurf.

Fünf Fragen an Angelika & Robert Atzorn

Wie gewinnt man eure Empathie?

Angelika: Durch Offenheit, Ehrlichkeit, Wahrheit und Begeisterungsfähigkeit.
Robert: Sympathie habe ich jedem gegenüber. Die Frage sollte heißen: Wie verliert man eure Empathie!

Wie würdet ihr euch gerne dargestellt sehen?

Angelika: Als offener Mensch, der Höhen und Tiefen kennt, der trotzdem viel Freude am Leben hat!
Robert: Als Mensch auf der Durchreise …

Welches ist euer liebster Widerwille?

Angelika: Zwiebeln schneiden.
Robert: Mein grandioser Appetit.

Wann fühlt ihr euch heimatlos?

Angelika: Wenn Robert zulange weg ist!
Robert: Wenn Schlüsselbund nicht auffindbar ist.

Welche Film-Persönlichkeit bzw. deren Werk hat euch am meisten beeindruckt?

Angelika: Shirley MacLaine – sie war früher ein großes Vorbild für mich.
Robert: Bruno Ganz. Er war nicht nur ein überragender Schauspieler, sondern er konnte alles: Theater, Film, Lesung

 

 

© Marie Theres Relin, erschienen in der Wasserburger Zeitung am 22.10.2021