Bücher über die Zeit gibt es schon eine ganze Reihe. Der Produzent, Autor und Talker Hubertus Meyer-Burckhardt hat nun ein weiteres hinzugefügt – und wir dürfen dankbar dafür sein. Denn seine nachdenklichen, belesenen, sinnlichen und humorvollen Überlegungen geben zugleich Einblick in eine mit prallem Leben angefüllte Vita ebenso wie sie Einsichten einstreuen, die hängen bleiben und Anregung geben, das eigene „Zeitmanagement“ zu überprüfen.
Ist es etwa kein interessanter Gedanke, wie viele Menschen einen Teil unserer Lebenszeit in sich tragen, und dass dies ein unsichtbares Netz knüpft, ganz gleich, ob man sich heute noch begegnet oder nicht? Wie geht das eigentlich: Keine Zeit haben? Ist die Zeit wirklich ein Fluss, an dessen Ufer wir sitzen, oder sind wir selbst die Zeit? Warum gilt uns ein Leben vor allem dann als wertvoll, wenn es lange dauert – wo doch das Leben kurz ist, auch wenn es lang ist? Oder ein so lässig hingeworfener Satz wie: „Erst wer sich bewegt, bemerkt, dass er in Ketten liegt“. Diese Lässigkeit hat nichts Frivoles, auch wenn Meyer-Burckhardt kokettiert, dass ihm heute lässig einfach besser gefällt als zuverlässig.
Zuverlässig, überpünktlich, immer aktiv, unterwegs und „Under Pressure“, so war dieser im unspektakulären Kassel geborene „protestantisch geprägte Arbeitsesel“ schließlich sein ganzes Leben lang. Heute, mit 63, beginnt der Macher, der nie tief Wurzeln geschlagen hat, eine „Affäre mit dem Jetzt“. Es ist nicht nur Alterseinsicht, die Hubertus Meyer-Burckhardt dazu treibt, sondern das plötzliche Auftreten zweier unliebsamer Weggefährten vor zwei Jahren: eingekapselte, dennoch bösartige Tumore, die er auf Anraten seiner Frau feinsinnig nach seinen Lieblingsautoren „Kafka“ und „Shaw“ nennt – denn „Gegner ohne Namen sind keine Gegner, die man bekämpfen kann“.
So durchzieht sanfte Melancholie den Text, der eigentlich ein Dokument der Lebenslust sein will und es in vielem auch ist. Plädoyer eines risikoaffinen Genussmenschen, der in Gerüchen schwelgt, sei es in denen des Waldes oder seien es exquisite „Nischendüfte“ kreativer Parfümeure. Der bei Rod Stewart und in den 70ern den Soundtrack seiner (Lebens-)Zeit findet. Es gehört zu den charmanten Seiten dieses Buchs, dass es am Ende eine Meyer-Burckhardt-Biografie anhand von Rod-Stewart-Songs sowie eine persönliche „Playlist“ des Autors mitliefert.
Hubertus Meyer-Burckhardt verspricht, seinen Text in absehbarer Zeit bei dem befreundeten Weggefährten Ottfried Fischer in Passau vorzustellen – so „Kafka“ und „Shaw“ es erlauben. Zunächst aber ist er zu Gast bei dem von der Schauspielerin Marie Theres Kroetz-Relin ins Leben gerufenen „Baukasten-Filmfest Region 18“ mit dem Konzept: „4 Kinos, x Filme, 1 Star“, und zwar am 30. Januar im Kino Utopia Wasserburg und im Stadtkino Trostberg sowie am 31. Januar im Park-Kino Bad Reichenhall und in Mike’s Kino in Prien.
Vielleicht ist ja da Gelegenheit zu erfragen, wer oder was Meyer-Burckhardt zu dem provokant prolligen Buchtitel „Diese ganze Scheiße mit der Zeit“ getrieben hat. Im Buch selber findet sich dieser Ausdruck (zum Glück) jedenfalls nicht – und er wird dem Text auch weder inhaltlich noch in der Tonalität gerecht. Ansonsten aber möchte man dem Autor mit einem guten Wein aufmunternd zuprosten und ihm mit seinem Lieblingssänger anerkennend zurufen: „You Wear It Well“!
Petra Grond