GastroJournal – Aufstehen!

Gespanntes Zuhören (Foto: Raphael Hünerfauth)

Mit Spannung verfolgen die Teilnehmerinnen am ersten FForum-Tag in Grindelwald die mit Verve vorgetragenen Referate zu den Themen: Standortbestimmung, richtigem Hinfallen und Sicherheit. Am Abend wird es dann so richtig verspielt.

Der montägliche Frauenforum-Tag startet mit der Frühschicht: Energie tanken. Entweder mit Aquafit im warmen Hotelpool oder beim Yoga mit Umesh Tejasvi auf der Hotelwiese. Und wenn die Augen nicht gerade geschlossen sind, lockt die Sicht auf den mächtigen Eiger.

Marie Theres Relin: „Wir sind alle spannende Persönlichkeiten.“ (Foto: Raphael Hünerfauth)

Die Initialzündung zum echten Forumsstart übernimmt am Montagmorgen die Schauspielerin und Autorin Marie Theres Relin aus Wasserburg am Inn (D). Die Tochter von Schauspielerin Maria Schell und Mutter dreier Kinder spricht über Standortbestimmung, den wahren Unterschied zwischen Mann und Frau und wie man Platz für Neues schafft.
Sie stellt ihre Familie anhand ihres Buches vor: «Meine Schells – Eine Familie gesucht und gefunden» ein Buch geschrieben. Der Auslöser war der Tod ihrer Mutter. «Als meine Mutter starb, war mir bewusst, dass ich die nächste bin, die in die Grube muss. Da wusste ich, ich muss mein Leben ändern.»

Die illustre Famile
Mit viel Humor erzählt sie ihre Familiengeschichte, beginnt mit dem deutschen Urururgrossvater, führt über die Schweizer Linie, der Familie Holdener aus Oberiberg SZ. Nach dem Anschluss Österreichs flüchteten die Schells in die Schweiz und konnten dank der Schweizer Linie bleiben. Die illustre Familie umfasst im Laufe der Zeit Hofkapellmeister, Psychiater, Dichter, Bildhauerin und immer wieder Schauspieler, der berühmteste ist ihr Onkel Maximillian Schell. Es sind Lebensschicksale vom Hinfallen und wieder Aufstehen.

Sich neu erfinden
«Wir fallen alle hin und stehen alle wieder auf», sagt Relin. Sie selbst geht nach Abbruch der Schule nach Paris und dreht 1983 ihren ersten Kinofilm «Secret Places» in England, der Beginn einer internationalen Karriere. Doch durch unglückliche Umstände wird diese unterbrochen. Sie heiratet den Regisseur Franz Xaver Kroetz und wird dreifache Mutter. Aufgrund von Asthma einer Tochter, zieht sie mit den Kindern nach Teneriffa und wird Hausfrau. Ihr Mann arbeitet. Sie aber: kein Aufstieg, keine Karriere. «Ich wurde zur alleinziehenden Mutter mit Mann», sagt sie lachend. Sie reisst Projekte an, setzt Ideen um, vieles wird nichts, anderes klappt – auch wieder mit der Schauspielerei in Film und Theater. Sie setzt sich für Migranten ein. Sich immer wieder neu erfinden, dieser Faden zieht sich durch Marie-Theres Relins Leben. Sie fängt sich, steht wieder auf. Der wohl entscheidendste Moment auf diesem Weg war, als ihr Sohn auf Teneriffa 28 Meter die Klippen runterfällt – und überlebt. Das hat definitiv ihr Leben verändert: «Glück muss man begreifen lernen. Und Dankbarkeit leben.»

Minitherapie: Strichmännchentechnik (Foto: Corinne Nusskern)

Marie Theres Relins Tipp, um Probleme und Schweres abzugeben und Druck aus Situationen nehmen: Strichmännchentechnik nach Jacques Martel, eine kurze Minitherapie. Und schon greifen die Forumsfrauen zu Papier, Stift und Schere.

Marie Theres Relin: Die Füsse befreit, der Kopf sowieso (Foto: Raphael Hünerfauth)

 

Wenn stürzen, dann bitte richtig!
Der Nachmittag steht im Zeichen der Sicherheit. Roland Reilly und Dominic Trösch, Fachspezialisten im Präventionsmanagement bei Swica, referieren über physische oder mentale Stürze und wie sie sich verhindern oder überstehen lassen. Ist «Schritt­weises Zurückweichen oft schlimmer als ein Sturz» (Marie von Ebner-Eschenbach)?

Jein. «Ein Kind, das Laufen lernt, stürzt 36000-mal pro Jahr», sagt Reilly. Als Erwachsene passieren Stürze auf Grund von Bagatellen und gehen meist eher glimpflich aus, aber knapp 1700 Menschen sterben jährlich an den Folgen eines Sturzes. Die Forums-Teilnehmerinnen staunen, ein Geraune geht durch den Seminarsaal. Wer eine gute Koordination (Gleichgewicht, Orientierung, Reagieren, Diffe­renzieren, Rhythmisieren) besitzt, stürzt ungefährlicher. Dazu muss man nicht Profikletterer sein, bereits Velofahren ist hilfreich. Es geht um Resilienz, sprich Widerstand.

Wie zufrieden bin ich heute?
Domenic Trösch knüpft da an. «Die stärksten Brücken werden aus Steinen gefallener Mauern gebaut.» (Andreas Tenzer) Was resiliente Menschen auszeichnet: Sie sind meist sehr dankbar.

«Für was seid Ihr dankbar?»,fargt Trösch. Rascheln im Saal. Konzentriert schreiben die Frauen in ihr privates Forums-Büchlein. «Es sind Übungen, die zwar etwas Gspüriges haben, sie sind wissenschaftlich anerkannt, nachhaltig und unterbewusst. Nehmt das mit in Eurer Handttasche, kaum berührt ihr es, nimmt das Unterbewusstsein seine Arbeit auf.» Resilienz ist die psychische Widerstandskraft des Menschen – sie hilft in positiven und schwierigen Momenten. Die sieben Resilienzfaktoren lauten: Optimismus, Akzeptanz, Lösungsorientierung, Achtsamkeit, Selbstverantwortung, Netzwerk- und Zukunftsorientierung. «Lernen Kinder dies nicht, spürt ihr dies spätestens, wenn sie bei euch in die Lehre gehen», sagt Trösch. Nicken im Saal, da gar ein Uuuh-Laut, dort ein Abwinken.

Zur eigenen Stärkung gibt Trösch den Frauen vier knackige Soforthilfe-Tipps auf den Weg: Sozialkonto pflegen, Fokus auf positive Momente richten, auch Mini-Erfolge feiern und kleine Momente geniessen.

Sicherheit? Immer!
Und dann krachts. Sicherheitsexperte Christoph Hauser (Bereichsleiter Deutschschweiz-Tessin der Schweizerischen Berufsschule Sicherheit) stolpert auf die Bühne, fällt hin und flucht. «Da müssen Streifen hin!» Ein kurzer Schock im Publikum, dann Gelächter. Denn Hauser weiss: Die absolute Sicherheit gibt es nicht. «Braucht es hier Streifen?» fragt er ins Publikum. «Nein, machen Sie einfach die Augen auf!», ruft eine Forumsteilnehmerin. Erneut Gelächter. «Was mache ich nur mit euch?», fragt Hauser, grinst. Sein Referat über Sicherheit im Betrieb beginnt mit einem Video über verstellte Fluchtwege und verschlossene Notausgänge. Das Problem? Die Technik von Sprinkler bis Feuerlöscher wäre da, doch der Mensch hat verlernt, sich umzuschauen, selber auf seine Sicherheit zu achten. Er fordert die Frauen heraus, sie sind aktiv dabei, hinterfragen und bringen Lösungsvorschläge ein, gespickt mit persönlichen Erfahrungen. «Geht mit gesundem Menschenverstand durch euren Betrieb und schaut euch um», rät Hauser.

Spiel mal wieder
In vier thematisch wählbaren Fokusgruppen rund um mentale und physische Stürze bis zum  Umgang mit Gewalt und Drohung lernen die Teilnehmerinnen neue Methoden, diese zu bewältigen. Es ist ein wichtiges Anliegen, viele Teilnehmerinnen berichten von Aggressionen – meist ausgehend von Gästen. EIn gestärktes Selbstbewusstsein tut da Not, hinstehen, Kante zeigen und mit Worten sie Situation entschärfen.

Aber dann wird nur noch gespielt. Der Spieleabend mit der luzernischen Spielagentur Mansgöggeli bringt die Frauen spielend in Hochform. Karten werden an den Körper gedrückt, damit keine reinschaut, quer über den Tisch gelehnt, um die auf einem Stadtplan eingezeichnete Leiche besser zu sehen und Faschisten kämpfen auf dem Spielbrett gegen Faschisten. Es wird gebrüllt vor Lachen, um Siege gerungen und Vorteile gefeilscht. Halt! Hat da hinten gerade jemand gemogelt?