Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Marie Theres Kroetz Relin - If pigs could fly...
„Liebe Frau, ich war schon mal ein fliegendes Schwein, habe aber inzwischen meine Flügel verlegt (wie so Vieles) und kann sie nicht mehr finden. Drum freue ich mich umso mehr, wenn ich mit einem meiner vielen leeren Tage Dein schönes Buch füllen helfen kann und wünsche dir bei allen deinen Flugaktionen toitoitoi. Dein Mann“ (Franz Xaver Kroetz)

Hausfrauenrevolution.
Ein Schwein als Logo.
If pigs could fly - ein Buch über die Einsamkeit.
Und das Ganze auch noch mit einem Augenzwinkern!


Wie kommt frau auf so absurde Ideen? Das alles passt doch hinten und vorne nicht zusammen! Oder vielleicht doch?

Ich werde es Ihnen sagen: es passt durch Lachen!
Nun verstehen Sie sicher gar nichts mehr. Aber ist es nicht so? Humor ist, wenn man trotzdem lacht, gerade auch über sich selbst. Wenn man die subjektive Perspektive verlässt und objektiv auf das Hausfrauendasein herunter schielt.
Dabei gäbe Angesichts des Gesellschaftsbildes der Hausfrau sicher nichts zu lachen, im Gegenteil:
22 Millionen Hausfrauen in Deutschland, davon 15 Millionen „Nur-Hausfrauen“ bringen täglich als Multitalent die Ehefrau, Mutter, Geliebte, Muse, Putzfrau, Köchin, Managerin, Seelsorgerin, Krankenschwester, Gärtnerin, Chauffeurin, Veranstalterin von Familienfeiern, Erzieherin, Sekretärin, Ernährungsexpertin, Psychiaterin, Inneneinrichterin, Pädagogin, Vermittlungsagentin, Buchhalterin, Improvisationstalent, Lehrkraft unter einen Hut! Ihre mütterlichen Führungsqualitäten zeichnen sich durch hohe Flexibilität, Geduld, Verständnis, Zeit haben im richtigen Moment und viel Liebe geben aus!
Aber die Zukunftsaussichten für eine „Managerin zum Nulltarif“ sind trotzdem mager: 24-Stunden-Tag, kaum Freizeit, kein Gehalt, dürftige Altersvorsorgen und die beruflichen Wiedereinstiegs-Chancen gleich Null.
Und die Politiker? Die reden viel und tun wenig! Sie sprechen über unsere Kinder als dem „Humankapital“ und machen sich lieber Sorgen über die Kinderlosigkeit, statt die Kinderarmut zu bekämpfen. Ein grauenhafter Gedanke, wenn man bedenkt, dass jetzt schon etwa jedes zehnte Kind in Deutschland unter die Armutsgrenze fällt und vielleicht 150 Euro pro Monat zum Leben zur Verfügung hat.

Kritik übt und verträgt man am Besten, wenn sie in ein Lächeln verpackt ist. Große Komiker haben das allzu oft bewiesen.
Aber ich wollte Ihnen ja erzählen wie ich zur Hausfrauenrevolution gekommen bin:
Es muss im Oktober 2001 gewesen sein.
Mein Mann und ich lagen im Bett und waren ausnahmsweise sehr lustig aufgelegt. Ich schilderte ihm in bunten Farben meinen Arbeits-, pardon, Hausfrauen-Alltag als Mutter von „nur“ drei Kindern und meinen bitteren Zukunftsaussichten. Und wir lachten herzhaft über meine lustigen Geschichten von meiner Hetzerei durch den Tag und den manchmal vergeblichen Versuchen, meine vielen Berufe zu vereinen.
„Wo bleibt unsere gesellschaftliche Annerkennung?“, sagte ich zu ihm „Putze ich als Schauspielerin im Film realistisch das Klo, schmeißt man mir die Goldene Kamera nach, im wahren Leben dagegen ist diese Schweinearbeit eine Selbstverständlichkeit. Das ist ungerecht!“
„Bei mir geht’s Dir aber doch nicht schlecht!“ unterbrach er mich.
„Aber auch nicht gut!“ antwortete ich frech, mit einem Augenzwinkern.
„Stell Dir mal vor,“ begann ich erneut „1992 haben sich doch tatsächlich Männer hingesetzt, um auf der UN-Weltmenschenrechtskonferenz in Wien schriftlich zu bestätigen: FRAUEN SIND AUCH MENSCHEN!“
„Das war ein Fehler!“ sagte er trocken und grinste.
„Die Hausfrau als Mensch haben die bestimmt nicht gemeint! Aber wir Frauen sind auch selbst Schuld, verstehst Du? Was machen wir denn dagegen? Kapitulieren vor unserem Spiegelbild, vereinsamen am Herd und halten die Schnauze. Nicht mal das Wort Hausfrau trauen wir uns aussprechen...“
„Stimmt, aber das interessiert doch kein Schwein!“
„Sag ich doch, dass ich eine arme Sau bin. Schweine und Hausfrauen haben übrigens viel gemeinsam: beide werden unterschätzt, sind intelligent, sehr reinlich und müssen trotzdem in einem Saustall leben. Beide geraten in Gefangenschaft unter Stress, sind ein Synonym für das Glücks, aber auch für viel Negatives. Selbst im Sprachgebrauch passen alle Redewendungen übers Schwein auch auf die Hausfrau...“
„Jetzt krieg ich Hunger. Was essen wir morgen?“ fragte er.
„Italienischen Schweinebraten! Was sonst?“ lachte ich, genoss das verbale Ping-Pong und meine Phantasie galoppierte mit mir durch.
„Hey, Du nimmst mich ja gar nicht ernst. Aber warte! Das hab ich nicht alles umsonst gemacht. Ich befinde mich seit 15 Jahren im Ausbildungscamp – so wie... äh, wie Che Guevara...“
Ich sah mich sofort lebhaft als Che Guevara der Hausfrauen durch den Dschungel des Alltags kriechen, mit Kopftuch und Stern, nein Schwein,
im Militäranzug und Schrubber im Gürtel, als Waffe meinen scharfen Verstand und einen Putzlappen, um kämpferisch das verstaubte Bild der Hausfrau aufzupolieren.
„Ich starte eine Hausfrauenrevolution!“ beendete ich meine komischen Gedankengang und fragte ihn, „Weißt Du was If pigs could fly, bedeutet?“
„Wenn Schweine fliegen könnten.“
„Nein, ich meine sinngemäß.“
„Die Sau rauslassen!“
„Nein, es bedeutet das Unmögliche möglich machen! Du wirst schon noch sehen. Und irgendwann gibt es dann eine Homepage die sich www.hausfrauenrevolution.com nennt und...“
Meine Phantasie war wirklich nicht mehr zu stoppen, denn zu diesem Zeitpunkt hatte ich weder die geringste Ahnung von Computern noch vom Internet und das www war so weit entfernt wie das Nirvana.
„Also doch die Sau rauslassen! Aber jetzt bin ich müde. Träum mal schön weiter. Gut Nacht.“ sagte er und drückte mir einen Kuss auf die Lippen
„Ja, die auch!“ dachte ich, schloss die Augen und machte mich auf in Richtung Hausfrauenrevolution.
Es war ein weiter Weg bis zum Anfang. Aber der Weg ist das Ziel - nicht nur ins Nirvana.


© Marie Theres Kroetz Relin 2004 - Auszug aus "If pigs could fly - Die Hausfrauenrevolution" Piper Verlag


 

 
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