Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Marie Theres Kroetz Relin - Mails einer Betroffenen

Gewalt hat viele Formen. Die eigentliche „Gewalt- Mail“ ist die letzte. Aber mir war es wichtig auch zu dokumentieren, wie und warum Gewalt entsteht und wie schwer es ist sich von einem Menschen zu trennen, den man mal geliebt hat.
Luisa ist 38 Jahre, hat zwei Kinder ( 6 und 9 Jahre), kommt aus kleinen Verhältnissen und hat sich "hochgearbeitet“..... Sie war 16 Jahre mit Detlev verheiratet und hat sich Anfang des Jahres von ihm getrennt. Seitdem verstehen sie sich wieder besser, die Gewalt wurde „eingestellt“. Auch wenn sie jetzt getrennt leben, haben die Kinder nun wenigstens wieder eine gute Mutter und einen guten Papa....
Dazu schrieb Luisa, als ich um die Veröffentlichung ihrer Mails bat:

September 03
Liebe Marie Theres,
schön, dass ich wieder mal von Dir lese! Toll, dass es Dir gut geht. Als ich Deine Zusammenstellung meiner Mails gelesen habe, stiegen mir wieder die Tränen hoch und ich merke, wie verletzt ich doch noch bin. Auch wenn Detlev und ich uns insgesamt besser verstehen, so gibt es doch immer wieder Rückfälle. Ein Hauptproblem meine ich, ist einfach, dass ich erfolgreicher, aber auch eingespannter bin als er. Das knappst an der männlichen Ehre und das Spielzeug für die Langeweile steht nicht so zur Verfügung. Das habe ich jetzt natürlich böse ausgedrückt und es ist auch alles stark vereinfacht. Dennoch steckt da schon ein Körnchen Wahrheit drin.
Was mir in unserer Beziehung am meisten fehlt, ist das Vertrauen. Vertrauen, dass ich ok bin, Vertrauen, dass er mich nicht im Stich lässt, Vertrauen, dass er zu mir steht, egal was ist, Vertrauen, dass es nichts zu verbergen gibt, Vertrauen, dass es eine Sicherheit im Sinne von Geborgenheit gibt.
Mir ist klar, dafür fehlt immer wieder die Zeit. Er hat wenig zu tun und langweilt sich, ich weiß nicht, wie ich alles schaffen soll, um trotzdem alles am Laufen zu halten. Je mehr wir uns unterschiedlich ausprägen, umso schlechter wird alles.
Nun, ich will mich nicht nur beklagen. Ich habe Arbeit in Zeiten, wo so viele jammern und Probleme haben, ich habe 2 super Kinder, ein wunderschönes Haus und eigentlich auch einen durchaus attraktiven Mann, der halt immer wieder spinnt.
Zu Deiner Frage: Klar darfst Du die Texte so veröffentlichen...
Umarmung
Deine Luisa

September 02
Hallo Marie Theres,
wie geht es Dir? Ich muss mich entschuldigen, dass ich mich nicht längst bei Dir gemeldet habe, aber entweder war einfach zuviel zu tun - momentan habe ich sehr viel Arbeit, letzte Woche waren noch Kindergartenferien und die Tagesmutter auch eine Woche in Urlaub ... Das andere ist, dass ich ziemlich schlecht drauf bin, weil ich mit Detlev einfach nicht klar komme. Beruflich hat er Schwierigkeiten...
Das ständige existenzielle Hin und Her macht mich fertig. Und in den Tag hinein leben in solch einer Situation ist mir vollkommen fremd. Gleichzeitig macht er mich für alles verantwortlich, ich würde nur meinen Stiefel durchziehen, ich wäre eigentlich ein Sadist, ich würde mich ja nur an meiner Familie, insbesondere meinem Vater rächen wollen und wäre sowieso eine schlechte Mutter, ganz abgesehen davon, dass ich ihn immer abweisen würde. Er tut mir weh und will mit mir schlafen. Ich fühle mich so was von scheiße, ich kann es Dir gar nicht beschreiben ... .
Ich hätte nie gedacht, dass ich mal in so einer besch.... Situation sein werde.
Ich hoffe sehr, es geht Dir gut.
Es wäre so schön, wir würden uns sehen ... .
Sei herzlich umarmt,
Deine Luisa

Oktober 02
Liebe Marie Theres,
Du kannst Dir gar nicht vorstellen, wie gut es tut zu wissen, dass da jemand ist, der an einen denkt. Die Sache mit Detlev ist ziemlich verfahren, weil ich fürchte, dass er nicht wirklich aus dem Haus will. Kann man ihm ja auch fast nicht verdenken.
Manchmal bekomme ich wieder Angstattacken oder Panikanfälle, dann bin ich wieder die Ruhe selbst, manchmal bin ich total aufgekratzt, manchmal laufe ich rum wie ein heulendes Häufchen Elend.
Jedenfalls bin ich aus der Bahn - irgendwie.
Und um einen herum der Alltag mit den Kindern, dem Haushalt, dem Beruf usw. und all die Dinge, die sonst noch so geregelt gehören... durchzustehen.
Bitte drück mir die Daumen, dass er so schnell wie möglich geht!
Ich melde mich bald wieder.
Sei kräftig umarmt,
Deine Luisa

Oktober 02
Liebe Marie Theres
irgendwie habe ich das Gefühl, es geht momentan einfach alles irgendwie quer.
Detlev behauptet zwar er wolle ausziehen und angeblich hat er eine Wohnung in Aussicht.
Blöd wie ich bin, habe ich mich am Sonntag leider doch wieder von ihm rumkriegen lassen und wir sind im Bett gelandet. Aber so wirklich geklappt es nicht und ich weiß, dass es auch gar nicht mehr klappen wird. Ich war danach stinksauer auf mich selbst.
Ich habe Detlev viel zu lange und viel zuviel Spielraum gegeben. Ich könnte mich in den A.... beißen!!
Ich fühle mich teilweise so schlapp, dass es mir sehr schwer fällt all die Dinge anzugehen, die anstehen. Und teilweise habe ich so eine Wut auf Detlev, weil ich vor allen Dingen einfach unsicher bin, ob und wenn ja was für ein Spiel er treibt. Inzwischen traue ich ihm überhaupt nicht mehr. Von unserer Liebe ist schon soviel tot und ständig stirbt noch mehr ab - es ist einfach grausam. Ich habe Angst vor dem Krieg und sehe ihn doch unausweichlich kommen. Warum bin ich nur so ein Versager?
Nein, es ist nicht wahr, dass alles nur schlecht ist. Es fällt mir nur sehr schwer den Himmel hinter den Wolken zu sehen und dieses ständige Hoffen, was bei uns so fehlgeschlagen hat, zermürbt und man will einfach nicht mehr nur hoffen.
Warum können 2 Menschen, die sich einmal so sehr geliebt haben, so auseinander kommen? Ich hab noch keinen Weg gefunden, wie ich damit wirklich umgehen soll und vor allen Dingen gegenüber den Kindern? Was ich nicht verstehe, wie soll ich ihnen das erklären? Es war nicht alles Sch...., aber konnte es soweit kommen und warum habe ich es nicht früher bemerkt?
Ach Marie Theres, warum kann man nicht in solchen Situationen einfach wieder ein Kind werden, das zu seinen Eltern gehen kann, die dafür sorgen, dass alles wieder gut wird? Meine Kinder jedenfalls werden diese Erfahrung leider nicht machen, denn es ist nichts gut für sie. Weder das Trennen, noch wenn wir zusammenblieben. Ich fühle mich sehr unglücklich.
Ich habe mich einfach auch noch nie so hilflos gefühlt...
Danke für alles.
Dein Luisa

November 02
Liebe Marie Theres,
seit feststeht, dass Detlev auszieht, verstehen wir uns deutlich besser. Das empfinde ich als völlig schizophren. Warum trennt man sich, wenn man sich gut versteht. Wenn wir uns nicht trennen, verstehen wir uns nicht.
Ciao
Luisa

Januar 03
Liebe Marie Theres !
Ich wünsche Dir ein supertolles, wunderbares 2003!
Weihnachten verlief eigentlich recht schön, jedenfalls wirklich ohne Stress und Streit und sehr harmonisch. Danach wurde es zusehend spannungsreicher. Silvester war durchwachsen und am Tag darauf ging er morgens wieder auf mich los, kniete sich auf meinen Oberkörper, als ich noch im Bett lag, hielt mir den Mund zu (und leider teilweise auch die Nase, dass ich wieder keine Luft bekam) und biss mich ins rechte Handgelenk. Dieser Arsch!
Anlass: ich sollte mit ihm schlafen und wollte nicht!
Jetzt hoffe ich sehr, dass es mit seinem Auszug klappt. Entweder verbessert sich dann unsere Situation, oder sie bleibt oder verschlechtert sich zudem.
Umarme Dich
Luisa

Januar 03
Liebe Marie Theres,
Ja, das mit der Leidenschaft, die noch da ist, mag schon stimmen. Allerdings habe ich mehr und mehr den Eindruck, dass die Beziehung von Detlev zu mir vorrangig auf Sex und Leidenschaft aufbaut(e) und weniger auf Liebe, Sorge, Vertrauen.
Jedenfalls musste ich immer wieder feststellen, dass er mehr Zeit und Geld dafür aufwendet, zu solchen Massagen zu gehen, wohl entspr. im Internet zu surfen, Heftchen zu lesen oder Videos zu kaufen, als für die Kinder, mich, den Haushalt oder gar seine Geschäfte. Können Frauen so blind sein? Manchmal ist er da, der Detlev in den ich mich so gnadenlos verliebt habe, den ich so gerne geheiratet habe, auf den ich so stolz war und mit dem ich diese beiden wundervollen Kinder bekommen habe. Und dann gibt es diesen Kotzbrocken, der ausrastet, zuschlägt, vor den Kindern tobt, Sachen und Seelen zerstört, sich nie entschuldigt und eigentlich auch für nichts die Verantwortung übernimmt.
Also dann drück mir mal die Daumen, dass Detlev nächstes Wochenende wirklich auszieht und ab dann vielleicht wieder mehr Silberstreif am Horizont zu sehen ist.
Fühle Dich feste umarmt.
Deine Luisa

Februar 03
Liebe Marie Theres,
Detlev ist am Wochenende in seine neue Wohnung gezogen, wobei er noch nicht alles dort hat, aber bis in einer Woche vermutlich schon. Am Sonntag kam er, nachdem er 2 Nächte bereits dort verbracht hatte, weil er die Kinder abholen wollte für den Sonntag. Noch in der Früh schickte er mir eine e-mail: Morgen Süße, wollen wir zusammen duschen? Bis ich sie entdeckte, war er bereits da und ich schon fertig angezogen. Da fummelte er wieder an mir rum und unter den Pullover usw..
Als ich ihm sagte, dass ich viel zu sehr durch den Wind wäre und überhaupt jetzt, wo unsere Beziehung eigentlich gar keine mehr ist, das macht doch alles keinen Sinn ... Nun, er hörte auf, wir frühstückten zusammen mit den Jungs, aber irgendwie bekamen wir kein vernünftiges Gespräch in Gang. Dann fing Detlev an, demonstrativ seine Sachen einzupacken, als ob er nur 10 Minuten Zeit hätte und ansonsten alles zurücklassen müsste. Ich hab mich erst mal verzogen, weil es einfach weh tat zu sehen, wie alles auseinander gerissen wurde und eine Art Schlachtfeld zurück blieb.
Später kam ich in die Küche und entdeckte, dass die Obstschale mit den Blumen, die ich von meiner Großmutter noch hatte verschwunden war. Als ich Detlev darauf ansprach, stritt er ab zu wissen von was ich sprach und er wüsste nicht, wo diese Schale sei. Schließlich trat er an seinen Karton, den er gerade eingepackt hatte und siehe da, da war die Obstschale ! Voller Wut schleuderte er sie durch die Luft und ich konnte sie mit Müh und Not noch abfangen, bevor sie am Schrank zerschellt wäre. Detlev meinte, dass könne schon mal passieren. Ich sagte, klar, deswegen habe ich ja auch nachgefragt. Und eh ich es mich versah, sprang er hinter mir her. Ich jonglierte die Porzellanschale irgendwie noch heile auf den Herd, da schubste er mich schon gegen die Wand beim Küchenfenster, schlug meine Kopf an die Leibung und schrie mich wild an.
Die Kinder standen in der Küchentür mit weit geöffneten entsetzten Augen und fingen an zu weinen. Als ich Detlev sagte, er solle aufhören, auch wegen der Kinder, schubste er sie raus in den Gang, machte die Küchentür zu und schleuderte mich wieder auf den Boden. Dann setzte er sich auf mich drauf und schlug mir auf den Kopf, packte mich an den Haaren und schleuderte meinen Kopf mehrfach hintereinander auf den Dielenboden, immer auf dieselbe Stelle. Gleichzeitig brüllte er mich direkt neben meinem Ohr voll an. Ich kann Dir nicht mal mehr sagen, was es war, weil alles so schnell ging. Endlich ließ er mich los, packte noch einige Sachen und fuhr schließlich mit den Kindern los. Helena war völlig fertig. Sie schluchzte und war ganz verzweifelt, weil der Papa ihr doch versprochen hatte, dass er nicht mehr mit mir streiten würde - und dann das!
Es war furchtbar. Nachdem ich geheult hatte wie ein Idiot, telefonierte ich mit einer Freundin. Dann ging ich ins Krankenhaus, um die Prellungen und Verletzungen dokumentieren zu lassen und damit ich ihn anzeigen kann. Ich habe auch bei der Polizei angerufen, aber da war echt so ein Trottel dran, der mir so schwache Fragen stellte, mit dem Tenor: Warum ich so blöd wäre, so einen Schläger ins Haus zu lassen und was die Polizei nun wohl machen solle, wo er doch eh nicht mehr da wäre. Ich habe mir erlaubt ihm zu sagen, dass ich nicht in der Verfassung wäre so mit mir reden zu lassen und habe aufgelegt. Die Anzeige kann ich auch immer noch machen.
Neben den Beulen rund um den Kopf, habe ich einen ca. 12 cm langen blauen Streifen quer über die rechte Pobacke, wo er mich mit der Schüssel in der Hand gegen das Fensterbrett geschleudert hat. Ich kann kaum sitzen. Und heute beginnt es am ganzen Körper weh zu tun, weil überall Muskelkater auftritt. Ich kann mich kaum rühren.
So gegen 21 Uhr rief er mich an, dass er das so nicht gewollt hätte und es ihm leid täte. Aber eine echte Entschuldigung kam nicht.
Sei umarmt und bis bald, Deine Luisa


© Marie Theres Kroetz Relin 2004 - Auszug aus "If pigs could fly - Die Hausfrauenrevolution" Piper Verlag








 
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