Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Muttern and the Oscar
Sie war wirklich wunderschön heute. Ihre Haare waren locker hochgesteckt, sie hatte perfektes Make-up aufgelegt und trug eine rückenfreie Robe von Givenchy. Der Schlitz im Kleid ließ ihre noch immer jugendlichen Beine hervorblitzen. Die glänzenden Locken hingen ihr neckisch ins Gesicht. Sie war einfach ein Traum. Es herrschte eine unglaubliche Spannung. Der Laudator öffnete langsam das Kuvert, entnahm die Karte, schaute überrascht und sprach dann ins Mikrofon: „Für die beste weibliche Hauptrolle... the winner is: MUTTERN!“ Tosender Applaus. Muttern schossen vor Freude die Tränen in die Augen, sie betrat die Bühne und nahm den Award entgegen. Mit der Auszeichnung in der Hand hauchte sie, ganz nah, ins Mikrofon: „Ich freue mich sehr, dass ich Sie in meiner Rolle als Hausfrau überzeugen konnte!“ Ihre Stimme zitterte „Und ich möchte vor allem meinem Mann und meinen Kindern danken, dass ich diese Rolle in ihrem Leben übernehmen durfte.“ Sie machte eine Pause und fügte lächelnd hinzu „Und meinen Hunden auch. Danke, ich liebe euch alle!“ Ein total gerührtes Publikum spendete ihr heftigen Applaus. Muttern verneigte sich langsam und überglücklich und realisierte langsam, dass sie das Mikrofon mit dem Stiel des Schrubbers verwechselt haben musste. „Ach ja!“ seufzte sie zart, bückte sich, tauchte ihre Hände in das Putzwasser, schwang den Putzlappen darin, drückte ihn sorgfältig aus und legte ihn über den Schrubber. Sie atmete tief durch. Im Rhythmus von Sinatras „My Way“ begann sie den Boden zu wischen.
Muttern war wirklich so schön heute!



© Marie Theres Kroetz Relin 2004- erschienen in "Die Aktuelle" Heft Nr. 14
 
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