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Marie Theres Kroetz Relin - Kreativ Potenzial Hausfrau?
Wer hat ein Herz für Hausfrauen?

„Franzl, wenn ich wieder einmal auf die Welt komm, dann lern ich einen Beruf!“ ( Maria Kroetz, Hausfrau und Mutter von Franz Xaver Kroetz, kurz vor ihrem Tod im Alter von 80 Jahren)

Teneriffa, Ende Oktober 2002.
Mein kleiner Computer brachte mir, dank des Internets, ein unverhofftes Angebot: Ich bekam nach 12 Jahren Nur- Hausfrauendasein eine Rolle in einem Krimi angeboten – Dreharbeiten auf Palma de Mallorca.
Mein Mann übernahm also den Hausfrauenjob und ich durfte 10 Tage auf „Filmset-Sightseeing-Urlaub“.
Ja, es war für mich wirklich Urlaub. Die Schauspielerei hatte ich zwischenzeitlich nicht verlernt, hatte ich sie ja doch mit der Muttermilch aufgesogen. Ich spürte keinen Umstellungsstress, im Gegenteil, wie angenehm war so ein Leben als Schauspielerin: Ich wohnte in einem schönen Hotel, konnte morgens in aller Ruhe frühstücken und wurde anschließend abgeholt und zum Set gebracht, mit Chauffeur versteht sich! Nix mit Billig-Mietwagen und zusammengeknautschtem Stadtplan auf dem Schoß das Set bzw. einen Parkplatz suchen. Weiter verschlafen in die Maske wackeln und, bis ich endlich wach wurde, war voilá, schon ein Wunder geschehen und ich fragte mich, wer die gutaussehende Dame im Spiegelbild wäre – das passierte mir im Alltag nie! Nun trabte ich mit schon wesentlich mehr Selbstbewusstsein in die Garderobe und wurde auch noch angezogen!
Im Anschluss daran begann das große Warten bis endlich alle Lampen im richtigen Winkel leuchteten und ich mich „darstellen“ konnte – ok, das Warten nervt wie Sau, aber das kam mir als Hausfrau doch sehr bekannt vor. Aber dafür gab es dann das zweite Frühstück, irgendwelche Aufnahmeleiter waren rührend um mein Wohl bemüht und brachten mir Kaffee -  eine echte Seltenheit! So saß ich also schön gestylt und dann kamen die Kollegen, dann der Regisseur und erklärten wie wunderschön ich heute aussehen würde -  da soll man nicht eitel werden! Deutete ich nur minimal Kopfschmerzen an, schwups, schon stand ein Aspirin auf dem Tisch - so etwas gibt es in meinem Alltag nicht!
Und dann kam die erste Szene, in der ich einen Heulkrampf spielen sollte, große Konzentration, alle zollten der Hausfrau- Schauspielerin Respekt für ihre echten Tränen – Ha! Wenn die gewusst hätten, wie gut es mir tat, mich ohne Grund mal ausheulen zu können.
Zwischen den Szenen rief ich dann meine Familie an, hörte dem Klagen meines Hausmanns zu, erklärte den Kindern, dass ich nun „arbeiten“ - hihi- aber ihnen ein Päckchen schicken würde – wie das eben „berufstätige“ Mütter tun, schickte tausend Bussis durch die Leitung, hängte ein und genoss weiter meinen gut bezahlten Urlaub.

Aber insgeheim ärgerte ich mich über die Ungerechtigkeit, dass Schauspielern als Arbeit anerkannt wurde, aber mein Hausfrauenjob nicht als solche angesehen wurde!

Tagebuch- Palma de Mallorca 23.10.02:
Es ist so merkwürdig. Die Zeit verändert sich so verdammt schnell und rennt und läuft und alles was ich bis jetzt geschrieben habe, existiert nicht mehr. Es gibt wirklich keine Wirklichkeit! Ich schweige über das Glück, nur nicht herausschreien! Damit es keine Angst bekommt und bei mir bleibt...
Es ist so viel passiert und irgendwie scheint es, als ob all das Leid, das mir in der letzten Zeit widerfahren ist, sich nun ganz langsam löst.
Und ich hatte so eine Angst vor der Einsamkeit.....
Aber es kam alles anders, wie so oft.  Ich werde mein Leben leben, nach meinen Vorstellungen. Eigenkreativ. Ich muss.
Mach dich auf den Weg und schaue nicht zurück...

Da erhielt ich eine Mail von Anja: www.hausfrauenrevolution.com ist jetzt reserviert. Wenn Du mal einen Text haben solltest, dann kann ich ihn reinstellen.
Und meine Antwort am 6. November 2002 war:
Liebe Anja!

Man Du hast mich mit Deiner News vielleicht aufgewühlt! Für mich war  meine "www.hausfrauenrevolution.com" schon wie ein "running gag"... ich hab zwar daran geglaubt und irgendwie gehofft, aber eben ganz weit weg... und ich wusste immer: wenn ich diesen Namen fallen lasse, dann sind die Lacher auf meiner Seite... Und wie übt man am besten Kritik? Wenn man dabei auch lachen kann... Mit Humor ertragen die Menschlein doch viel mehr Kritik, oder?
Aber nun kocht und tobt es in mir.

Durch die Dreharbeiten bestand wieder Medieninteresse an meiner Person und statt die „Rückkehr der Schauspielerin“ in den Interviews zu Wort kommen zulassen, pappte ich den Journalisten ein Schild mit - Umleitung Hausfrau - aufs Hirn und schrieb an Anja:

Habe mittlerweile drei große Interviews gegeben und die Journalisten auf www.hausfrauenrevolution.com umgeleitet... und weißte was? Es klappt! Voller Erfolg! Zuerst ein Lacher, dann ein Aufhorchen!

Wohlgemerkt: wir waren bis dato noch nicht online, geschweige denn, dass ich irgendeinen Text gehabt hätte!
Bei einem dieser Interviews erzählte ich wieder so engagiert über die Hausfrau und was ich alles vorhätte.
„Wann erscheint denn ihre Homepage?“ fragte die Journalistin.
„Gegenfrage: Wann erscheint das Interview?“ sagte ich kurz. „Nächste Woche, Donnerstag, 21.November.“
„Dann schreiben Sie bitte, dass wir schon online sind.“ sagte ich noch kürzer.
„Aber wie soll das gehen, Sie haben ja noch keine Texte? Ich kann ja auch Dezember schreiben...“ antwortete mir die erstaunte Dame.
„Das lassen Sie mal meine Sorge sein:“ gab ich souverän retour, obwohl mir innerlich ganz schwummerig wurde. „Die Hausfrauenrevolution gibt es ab nächster Woche. Wie weiß ich noch nicht, aber mir schon noch was einfallen.“

Nun war ich in heller Aufregung. Ich lief zu meinem Mann und folgender Dialog spielte sich ab:
„Schreibst du mir einen Text für meine Homepage? “
„Nein, dein Hausfrauengesabber muss ich mir schon seit 15 Jahren in der Küche anhören.“
„Aber das wird eine total schräge Homepage, echt! Es werden Männer über Frauen schreiben, Frauen über Frauen, Allein erziehende mit und ohne Mann, für den Magen „Leichte Küche für schwierige Männer“, Frau und Gesundheit, Frau und Technik, Hausfrauenchat, Vergleiche, unser Motto: Zusammenhalten um zu Verändern, unser Ziel: Hausfrauenstreik, es wird....“
„Mann, hör doch auf, glaubst du wirklich, das interessiert ein Schwein? “
„Deine wunderbare short-story interessiert auch kein Schwein. Liegt seit zwei Jahren in der Schublade. Dabei ist es das einzige Buch, dass Du mir gewidmet hast! In 15 Jahren, wohlgemerkt! Und die kannst Du mir ruhig schenken...“
„Ok, geschenkt!”
„ Echt? “
„ Echt. Aber nur wenn du jetzt endlich abhaust! “
„Bin schon weg. Und... Danke! “

Das war der Anfang. Zur Geschichte meines Mannes schrieb ich ein Entree und pünktlich gingen wir am 21.11.02 online.
Ich staunte nicht schlecht, als Anja mir mitteilte, dass wir bereits am Tag der Eröffnung 2.700 Klicks hatten. Das war ein Zeichen. Nun hieß es, gute Texte zu bekommen. Jeden den ich traf, egal ob Freundin, Bekannte oder Unbekannte schnorrte ich um einen Text zum Thema Hausfrau an.

Und ich versendete eine Ketten-Mail um herauszubekommen, wer denn nun ein Herz für Hausfrauen hatte, mit der Bitte ein Satz dazu zu schreiben:

Ich hab ein Herz für Hausfrauen weil...
o    ...ich selber eine bin und weiß welche Verantwortung ich für meine   Familie trage.
o    ...sie unsere künftigen Steuerzahler großzieht.
o    ...man sie nicht bemerkt, wenn sie sich nützlich macht.
o    ...sie immer was zu Essen hat, wenn man hungrig ist.
o    ...es keine Kriege geben würde, wenn sich die Mütter weigerten ihre    Söhne in den Krieg zu schicken.



© Marie Theres Kroetz Relin 2004 - Auszug aus "If pigs could fly - Die Hausfrauenrevolution" Piper Verlag

 
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