Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Muttern und der Apfelkuchen
Muttern knetet zärtlich rhythmisch den Teig. „Das A und O des Strudelteigs ist nun mal das Kneten und mit Musik vieles leichter.“ Auf dem großen Tisch breitet sie ein Leintuch aus, bestäubt es mit Mehl, legt den Teig in die Mitte und beginnt mit viel Fingerspitzengefühl den Teig langsam zuziehen. „Meine Großmutter sagte immer, der Teig muss so hauchdünn werden, dass man einen Liebesbrief darunter lesen kann. Tja, einen Liebesbrief hab ich nicht da, aber ich könnte ja als Leseprobe das neue Buch der alten Eva nehmen.“ Sie schiebt das Werk unter den Teig, kneift die Augen zusammen und liest: „Durchs Kuchenbacken wird der Karrierefrau schmerzhaft klar, was sie all die Jahre vermisst hat. Und was sie wirklich braucht und „Noch nie habe ich eine solche Geborgenheit empfunden“ – So ein Schwachsinn, davon bekommt mein Teig ja Löcher!“ Schnell und gekonnt verteilt Muttern die zerlassene Butter, gerösteten Semmelbrösel, Äpfel und restlichen Zutaten darauf. Mit beiden Händen fasst sie nun das Leintuch an und wie eine Mischung aus Jongleur und Pizzabäcker, rollt sie mit kunstvollen Wurfbewegungen den Apfelstrudel ein und schiebt ihn ins Rohr. „Geborgenheit beim Kuchenbacken? Hat Eva alle Tassen im Schrank oder zuviel Oberhitze erwischt?“ grübelt Muttern. „Aber nein, beim nächsten Apfelstrudel schieb ich mir dann „linke Literatur“ von Christa Müller, Gattin von Oskar Lafontaine, unter den Teig: „Achtung Hausfrau!“,  denn das Geschäft mit den „desperate housewives“ boomt!“ Aber ändern wird sich nichts, solange Eva, Uschi und Christa nicht Kuchenbacken lernen!


© M.Th. Kroetz Relin 2007- erschien in "Die Aktuelle"   Heft 11
 
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