Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Muttern und der Gefangenenchor

 
„Stell dir vor:“ Muttern spricht mit Trauermiene zu Girlie. „Es gibt ein Gefängnis, in dem richtig grausam mit den Gefangen umgegangen wird.“ - „Wo denn?“ fragt die erstaunte Tochter. „Gar nicht so weit weg: die Zellen liegen unter freiem Himmel, die Gefangenen sind Sonne und Regen gnadenlos ausgesetzt. Ihr Essen, das sowieso meist nur aus Körnerfutter besteht, wird vom Regen aufgeweicht, quillt auf und wird ungenießbar. Das Trinkwasser wird so selten gewechselt, dass es nach abgestandenem Urin schmeckt und grüne Algen drin wuchern.“

Girlie schüttelt sich. „Ist ja widerlich! Von welchem Gefängnis sprichst du? Muss da Paris Hilton hin- wegen wiederholtem Fahren ohne Führerschein?“ Muttern verneint. „Dem nicht genug: die ganze Zelle kotverschmiert, niemand macht sauber! Vitamine? Vergiss es! Ab und zu ein altes Salatblatt genügt. Und Ausgang bekommen die Knastbrüder auch nie...“ - „Mama, jetzt sag doch von wem Du sprichst! Von Christian Klar vielleicht? Kann ich mir gar nicht vorstellen.“ Muttern nimmt Girlie an der Hand. „Komm, ich zeig´s dir!“ Sie geht mit ihr in den Garten zum Vogelkäfig. „Es sind deine Gefangenen! Du wolltest die Nymphensittiche! Möchtest du so leben? Wie oft habe ich darum gebeten, den Käfig sauber zu machen? Ich hätte nie gedacht, dass du so ein grausamer Wärter bist!“ Girlie senkt den Blick. „Die Würde der Vögel ist unantastbar! Gilt übrigens auch für Menschen.“ Und dankbar ertönt zwitschernd der Gefangenchor...  



© M.Th. Kroetz Relin 2007- erschien in "Die Aktuelle"   Heft 21  
 
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