Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Muttern will die Gute sein
Mutter will die Gute sein. Sie will immer alles richtig machen und für jeden da sein: hilfsbereit, fürsorglich, vorbildlich, freundschaftlich, verständnisvoll, einfühlsam. Dabei möchte sie gut aussehen, charmant, lustig, intelligent und ausgeglichen sein. Muttern gleicht einem Tintenfisch. Mindestens genauso viele Arme bräuchte sie um den alltäglichen Taten gerecht zu werden.
Wer aber die ganze Zeit sich immer nur um das Wohl der anderen kümmert, vergisst sich selbst. Oder verdrängt sich selbst? Der Tintenfisch hat auch seine dunkeln Seiten: bei Gefahr und Angst verspritzt er seine Tinte, in der Hoffnung vom Feind nicht gesehen zu werden und versteckt sich.  Ähnlich Muttern, irgendwann kann auch sie nicht mehr: ihre Nerven liegen blank, sind wie auf einem Schraubstock. Beim leisesten „Mama?“ schnauzt die eben noch charmante Hausfrau ein schroffes „Ja, was ist denn?!“ Oh, oh, nun weiß die Familie Bescheid:
Muttern bekommt ihre Krise: Sie tobt und brüllt beim kleinsten Anlass, fühlt sich ungeliebt und unverstanden, jammert über die viele Arbeit, bekommt einen Weinkrampf und endet mit einem erschöpften Seufzer: “Mir ist, als säße ich auf einem großen Scherbenhaufen!“. Da spürt sie eine kleine Hand und zart beruhigend ertönt: „Aber Mama, Scherben bringen doch Glück!“ „Hat es sich doch gelohnt, die „Gute“ zu sein und vielleicht sollte ich ab und zu ein ganz klein wenig böse werden“, denkt sich Muttern, nimmt ihr Kind in die Arme und ist, nach der dunkeln Frustwolke plötzlich wieder sehr zufrieden. Die Gute!


© Marie Theres Kroetz Relin 2003- erschienen in "Die Aktuelle" Heft Nr. 45
 
< Zurück   Weiter >
2017 Marie Theres Kroetz Relin
WEB-Design - Martin Wagner - PHP,MYSQL,Joomla