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NeueNachricht: "Eine Frau von dreißig Jahren“ – Damals und heute von Ansgar Lange
Bonn/München – Anfang und Mitte des 19. Jahrhunderts stand die „Frau mit dreißig Jahren“ auf dem „poetischen Gipfel“ ihres Lebens – zumindest beschrieb der französische Schriftsteller Honoré de Balzac dies in seinem gleichnamigen Roman. Die Protagonistin, Julie d’Aiglemont, ist unglücklich mit einem nicht besonders tiefsinnigen und verständnisvollen Reiteroffizier verheiratet. Sehr moderne Konstellation, nur sind die heutigen Männer in der Regel keine Reiteroffiziere mehr. Die Dame tröstet sich im Verlaufe der sechs Kapitel mit zwei Herren. Bei einem Briten, wen wundert’s, reicht es nur zu einem gefühlvollen Verhältnis. Doch als Charles de Vandenesse die verheiratete Mutter begehrt, kommt es zur leidenschaftlichen Liebe. Das Bild, welches der Autor von der Ehe zeichnete, ist nicht eben schmeichelhaft. An dieser Stelle sei der Versicherungs-Philosoph Stromberg zitiert, der diese Gemengelage auf den Punkt bringt: „Wer verheiratet ist, lernt zu hassen“. Balzac beschrieb das „häusliche Unglück(...), das nicht weniger schrecklich ist, weil es im Verborgenen bleibt“. Seine Romanheldin musste gleich doppelt büßen: Sie litt an ihrer unglücklichen Ehe und wurde auch in ihren außerehelichen Affären nicht recht froh. Wobei der Romancier einer seiner Personen zurecht den Satz in den Mund legte: „Denken Sie nicht manchmal, dass die eheliche Liebe schwerer zu ertragen ist, als es eine verbotene Leidenschaft wäre?“ Julie d’Aiglemont bestätigt die Richtigkeit dieser rhetorischen Frage unter Tränen.
Schwenk ins Hier und Heute. Mit dreißig ist noch lange nicht Schluss. Der Höhepunkt des weiblichen Lebens ist auch noch nicht erreicht, zumindest was die Sexualität betrifft. „Sex macht Spaß. Und darüber zu reden auch. Dachte ich jedenfalls. Umso verwunderter war ich, als ich bei den Recherchen zu meinem Buch ‚Wie Frauen ticken’ in dem ein ganzes Kapitel dem Sex gewidmet ist, folgendes bemerkte: die Frau zwischen 35 und 45 Jahren war offen für alles. Je älter, desto redseliger beantworteten sie die Fragen - die übrigens alle von Männern stammen- desto weniger Tabus gab es in ihren Antworten. Humorvoll, frech, authentisch. Aber: je jünger die Frau (30 und abwärts) war, desto konservativer antwortete sie. Spießig, moralisch, verschämt“, berichtet die Autorin Marie Theres Kroetz-Relin http://www.hausfrauenrevolution.com und http://www.marie-theres.com in einem Artikel für das Magazin Penthouse http://www.penthouse.de . Trotz oder gerade wegen der medialen Freizügigkeit hätten Sitte und Moral die Frauen eingeengt wie ein Korsett. „Dieses Korsett tragen sie auch um ihre Gedanken. Es kommt also auf die Frau an, wie sie lebt und welchen Standpunkt sie vertritt. Lebt sie ihre Wünsche, Träume und Sehnsüchte, spiegelt sich das in ihrer Haltung wieder. My point of view: Sex ab vierzig ist geil. Und weibliche Sexualität ein Politikum!“, so Kroetz-Relin. Zu dieser Erkenntnis konnte sich die „Frau von dreißig Jahren“ noch nicht durchringen. Vielleicht war die alte Zeit doch gar nicht so gut? Als Julie d’Aiglemont vierzig war, erreichte sie nur das „Alter einer schuldigen Mutter“ (Balzac).
 
© Ansgar Lange

 
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