Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
BILD AM SONNTAG - Tatort: Wildes Herz
Fotos einer im wahrsten Sinne „leidenschaftlichen“ Liebe jagen durch die Presse: der Fußballmanager Rudi Assauer wird handgreiflich gegen seine ehemalige Lebensgefährtin, Schauspielerin Simone Thomalla. Nach einem Streit rempelt, zerrt und schubst er sie und zufällig (?) ist ein Fotograf in der Nähe, der die Auseinandersetzung bis zum Eintreffen der Polizei fein säuberlich dokumentiert. Und was machen wir? Wir seufzen „wie schrecklich!“ und schauen doch nur weg, vielleicht sogar leicht befriedigt, „Promis sind auch nur Menschen“ und mit dem Hintergedanken: „Das würde ich mir nie gefallen lassen!“
Wirklich?
Fast jede Frau kennt eine, die von ihrem Mann geschlagen wird. Nur bei prominenten Paaren kommt das Leiden schneller ans Licht. Wir erinnern uns an Tina Turner oder Whitney Houston, die sich nach qualvollem Weg aus den Fängen ihrer Hasslieben befreiten. Dagegen verpasste die gefeierte Schauspielerin Marie Trintigant die Chance einen Schlussstrich zu ziehen, sie starb am 2. August 2003 an den Folgen brutalster Körperverletzung durch ihren Lebensgefährten.
Ein weiteres Paar, dass nicht loslassen konnte: Elizabeth Taylor und Richard Burton. Elizabeth soll nach Aussagen meiner Mutter, eines Tages mit blauem Auge bei ihr aufgetaucht sein. „Was ist passiert, Liz?“ fragte meine Mutter entsetzt. „Ich bin gestolpert und auf einen Aschenbecher gefallen.“. Eine blödere Ausrede hätte ihr wohl nicht einfallen können. Meine Mutter, selbst mit allen Wassern der Erfahrung gewaschen, nahm den aufgelösten Weltstar in die Arme: „Ich weiß.“. Woraufhin ein geschluchztes „But I love him!“ zurück kam. Ja, die Liebe!
Tatort „Wildes Herz“.
Intensive Gefühle zwischen Freude und Leidenschaft, Träume, Tränen und Eifersucht, Hoffnung und Sehnsucht werden auf der „Bühne der Liebe“ präsentiert.
Wie erklärt man sich diesen Widerspruch?
Ein Stichwort ist die Eifersucht, das Othello-Syndrom. 80 Prozent aller Deutschen sind eifersüchtig, davon sind 32 Prozent der Männer und 28 Prozent der Frauen krankhaft! In der rechten Gehirnhälfte sitzen, medizinisch gesehen, die negativen Gefühle und bei einer Eifersuchtsattacke rutscht der Hirnbotenstoff Serotonin in den Keller. Das führt in der Psyche zu einer Art Tunnelblick: Das Gehirn klammert sich nur noch an die kleinsten Details, die plötzlich eine alles beherrschende Bedeutung bekommen.
Ein Beispiel: Meine Großmutter, frisch verheiratet mit ihrem Dichter  und junge Mutter, bekam endlich wieder ein Engagement und sollte die Prinzessin in Goethes „Torquato Tasso“ spielen. Kurz vor der Premiere bekam sie ein Telegramm von ihrem Mann:
„Wenn du mich liebst / spielst du heute abend nicht.“
Mein Großvater hatte bestimmt nicht den geringsten Grund, aber er war rasend eifersüchtig. Natürlich spielte sie die Rolle, wenn auch mit zerrissenem Herzen. Aber kurz darauf beschrieb meine Großmutter eine weitere Szene:
„Wir waren im Theater und sahen ein Stück, welches mir gefiel. Seine Eifersucht trieb ihn immer stärker, er rutschte immer tiefer hinein, was ich nicht begriff; stattdessen die Szene, weil sie wirklich harmlos war, auch noch verteidigte. Da verlor er die Kontrolle, fing an auf mich einzuschlagen, so dass wir beide, tief beschämt, das Theater verlassen mussten. Er entschuldigte sich danach und war ganz aufgelöst.“
Ein geradezu theatralisches Beispiel des Othello-Syndrom. Und typisch weiblich auch, dass sie es war, die ihre Karriere an den Nagel hängte.
Stichwort Co-Abhängigkeit: Frauen, die sich von ihrem Partner dominieren lassen, leiden an einem unterentwickeltem Selbstwertgefühl, mögen sie sonst noch so starke Powerfrauen sein. Meine Mutter liebte es mit Edith Piaf „In der Liebe braucht es Tränen“ zu trällern und benahm sich auch danach. Fest verankerte Schuldgefühle, Zweifel: „bin ich etwa selber schuld?“, Erlebtes in der Kindheit: „als Mädchen hast du dich unterzuordnen!“, Isolation: „ich kann mit Niemanden darüber reden!“, Scham, schleichende, verbale Gewalt, das Klein-Machen, erst eine blau geschlagene Seele, dann der Körper. Und das Opfer wird zum Täter gegen sich selbst. Am nächsten Tag, die Ernüchterung des Mannes, er bittet um Verzeihung, es tut ihm leid und sie bekommt endlich das, wonach sie sich sehnt: Ein wenig Liebe. Das hofft sie jedes Mal aufs Neue, es ändert sich aber trotzdem nichts.
Als Zuschauer eines solchen Liebesdramas kann man in den meisten Fällen nur ungläubig den Kopf schütteln. Immerhin: wer sich streitet hat eine Beziehung. Wer keine Beziehung mehr hat, der streitet auch nicht mehr.
Was ich versuche mit meinem weiblichen Gehirn mühevoll zu verstehen, beschreibt Woody Allen kurz und bündig – (bitte langsam lesen!):
 „Lieben heißt leiden. Um Leiden zu vermeiden, darf man nicht lieben. Aber dann leidet man, weil man nicht liebt. Darum, weil eben lieben leiden und nicht lieben auch leiden bedeutet, muss man leiden. Glücklich ist, wer liebt. Demnach ist man aber nur glücklich, wenn man leidet. Leiden macht aber wiederum unglücklich. Darum muss man, um unglücklich zu werden entweder lieben oder es lieben zu leiden oder vor lauter Glück leiden. Ich möchte niemals heiraten, ich möchte am liebsten vorher schon geschieden werden.“
Alles klar?



© Marie Theres Kroetz Relin erschienen in BILD AM SONNTAG  07.06.2009
 
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