Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
BILD Erotik-Bibliothek Nr. 8- José Pierre
Viagra in Buchform

François Truffaut schrieb an José Pierre: „Man muss sich einfach in Ihre Heldin verlieben. Wenn Sie eine Schauspielerin finden, die in der Lage ist, die Thérèse so zu spielen, wie sie beschrieben ist, die die gleiche Aura von Schönheit, Gesundheit und Humor entstehen lässt, wird dieses Mädchen für die nächsten Jahre die größte französische Schauspielerin sein.“
Klingt viel versprechend, dachte ich mir, als ich in dem Roman zu lesen begann: Francis (16) verliebt sich in „Die Frau, die den dunkelsten Schatten oder das hellste Licht in mein Leben geworfen hat, die Verlobte meines Bruder – und seine spätere Ehefrau.“ Thérèse, da sind sich alle einig, „Ist vielleicht das einzige Mädchen, von dem man nie geheilt wird“, ihre „Liebesfähigkeit scheint unbegrenzt“, ergo teilt sie diese auch mit den beiden Brüdern und einigen anderen. Die 20-jährige Lady ist wie „ein blühender Kastanienbaum“ und beinhaltet „weibliche Ironie, aufrichtige Zärtlichkeit, einen gewollt beschützenden Tonfall und vereint gewisse Anzeichen purer Provokation“. Kurz: Alle sind verrückt nach ihr, Männlein wie Weiblein – „Liebe machen mit der Liebe, was für eine Versuchung!“ – und Thérèse steht allseits zur Verfügung, denn „Frauen sind keine Wesen, die man aus Wolken ausschneidet. Sie lieben es, geliebt zu werden. Sie wünschen sich, dass man zugleich ihr Herz und ihren Schoß ausfüllt“.
Trotzdem muss sie gestehen: „Der Liebhaber – selbst wenn es sich um mehrere handelt –, der den Körper befriedigt, kann sich nicht mit dem Liebhaber messen, der das Herz erfüllt.“ Und auf die Frage „Hast Du Dir nie gewünscht, eines Tages nur noch mit jemanden zu schlafen, den Du liebst?“ kommt ein Klares „Das wünsche ich mir immer.“ Im zarten Alter von 16 Jahren wurde Thérèse von ihrem Vater entjungfert – „Sag mal, bin ich Deine Tochter oder Deine Geliebte?“ Nach einem Augenblick der Verlegenheit sagte er: „Im Moment bist Du meine Geliebte.“
Die Frage, warum all die jugendlichen Liebhaber von Thérèse, gerade mal zwischen 16 und 20 Jahren alt, so reich an sexuellen Praktiken sind, verrät der Autor gegen Ende des Buches selbst: „Francis, was für eine Lebenserfahrung Du hast! Ich habe den Eindruck, einen alten Mann von 45 Jahren vor mir zu haben!“ – José Pierre war 47, als sein Roman erschien: Ein literarisches Aphrodisiaka für Herren, die sich in Erinnerungen als „jungen Hengst“ wägen, als Mittel gegen „Ich fühle mich sehr allein, und dennoch ist meine Einsamkeit derart, dass ich keine Lust habe, ihr zu entfliehen. Es scheint mir zuweilen, dass ich meine Vergangenheit hinter mir herschleife wie ein Zuchthäusler seine Eisenkugel. Und manchmal wache ich mit Tränen aufgelöst in meinem Bett auf, weil ich meine, eine Stimme vernommen zuhaben, die ‚Thérèse’ in die Nacht hinausschrie“. Eine männliche Antwort auf die „Sucht nach Harmonie“. Oder Viagra in Buchform inklusive dem „Charme des ergrauenden Don Juan“.



© M.Th. Kroetz Relin 03.09.06
 
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