Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
BILD AM SONNTAG: Vorher: bessere Hälfte – Nachher: zufriedenes Ganzes

„Klappe!“, ruft Regisseur Josef Vilsmaier und springt hinter dem Monitor hervor. Er ist zufrieden mit meiner Leistung. Ich auch, denn erstens stand ich ewig nicht mehr vor der Kamera, zweitens ist es nicht leicht, drei Sätze auf vier Minuten zu spielen, und drittens ... „Eine Schnapsklappe nach Drehschluss geht auf mich!“, rufe ich dem Team zu. Es ist für eine Schauspielerin bei einer 2-Tagesrolle eher ungewöhnlich, ein Gläschen Prosecco springen zu lassen, aber es gibt etwas zu feiern. „Heute vor einem Jahr ...“, beginne ich meine Ansprache, „stand ich mit dem werten Hauptdarsteller vor dem Scheidungsrichter. Heute stand ich mit Franz und meiner Tochter für Die Geschichte vom Brandner Kasper vor laufender Kamera und spielte seine „verstorbene Frau“ im Paradies. Das wäre zu Ehezeiten gar nicht möglich gewesen! Auf diese paradiesischen Zustände will ich anstoßen!“ Ich proste fröhlich meinem Exgatten zu.
Cut. Ein Film im Film? Nein, meine Realität! Auch wenn mein Gastauftritt im endgültigen Film nur noch zwei Sekunden dauert, es hat Spaß gemacht. Immerhin war ich jungen Jahren eine erfolgreiche Schauspielerin, bis ich mich in meinen Dichter verliebte und eine steile Karriere als dreifache Mutter startete. Kurz: Ich mutierte zur besseren Hälfte. Mit zirka 35 Jahren nahmen die zufriedenen Mutterhormone ab, ich begann zu denken und die Unzufriedenheit kam: Was, wenn die Ehe nicht mehr glatt läuft? – Magere Aussichten offenbarten sich. Kein Beruf, kein eigenes Einkommen, keine Rente. Das muss sich ändern!
Step one: Ich kaufte mir einen Computer. Wozu braucht eine Hausfrau einen Computer? Na, damit frau sich mit der Technik beschäftigen kann, z.B. um die Hausfrauenrevolution.com ins Leben zu rufen. Das war Step two. Meine Homepage wurde über Nacht ein Erfolg, denn es gab viele Artgenossinnen, die nach Anerkennung, Kreativität und Unabhängigkeit strebten. Step three: Ich begann zu schreiben und erschrieb mir einen Beruf. Jetzt war ich finanziell unabhängig und konnte – Step four – die Scheidung einreichen.
Sie war harmonisch-tränenreich und wurde zugleich der berufliche Einstieg meiner Tochter. Josephine schrieb für Bild den Exklusiv-Scheidungsbericht, wurde daraufhin von einem Verlag entdeckt und schrieb ihr Romandebüt mit gerade mal 19 Jahren: „Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechtfinden – Eine Geschichte für Scheidungskinder“.
Es ist schon eine Erfolgstory der besonderen Art! Heute verstehen mein Ex-Göttergatte und ich uns hervorragend. Übers Jahr betreue ich die Kinder und im Sommer heißt es für zwei Monate: „Hotel Mama“ geschlossen! Die Kids gebe ich bei F.X. ab und mache Urlaub! Das hätte ich mal während der Ehe sagen sollen: „Du Schatzi, ich bin dann mal weg.“
Während sie ihren Vater genießen, der mittlerweile perfekt kocht, putzt, wäscht und auf ein ordentliches Ferienprogramm achtet, kann ich z.B. reisen, mich auf die Suche nach meinen Ahnen begeben und in Ruhe an meinem (mittlerweile fertigen) Buch schreiben: „Wie im Nebel befangen – ich puzzle mir die Schells“. By the way, ich bin stolz, aus einer so tollen Familie zu stammen und mein Adelstitel „von“ (Exfrau von, Tochter von ...) ist mir richtig ans Herz gewachsen.
Wieder ein Happy End. Bei so viel Gefühlsduselei werden Sie sich fragen, warum die Gute nicht verheiratet blieb? Ganz einfach: Im ersten Stadium der Liebe war jeder noch eine Persönlichkeit. Drum hat man sich ja verliebt! Zu Beginn verlangt keiner eine Veränderung. Erst mit dem Zusammenleben kommen die Probleme, spätestens dann, wenn beide Zahnbürsten im gleichen Glas landen. Mit dem Alltag und den Kindern schleicht sich die Gewohnheit ein und einer beginnt sich zu „verstellen“, einen Teil von sich aufgeben. Voilá – schon lebt man in einer Abhängigkeit. Finanziell und emotionell. Diese führt früher oder später zur Unzufriedenheit. Man verliert sich in der Verstellung und vergisst dabei sich selbst. Man sucht einen Schuldigen für die eigene Misere, Vorwürfe mutieren lawinenartig zum Streit und solange man streitet, hat man sich wenigstens noch etwas zu sagen. Erst, wenn das Schweigen ausbricht und die Ohnmacht, gepaart mit Gleichgültigkeit, sich ausbreitet, beginnt der Zerfall der Beziehung. Da hilft nur noch eins: zurück zu den Wurzeln. Das bedeutet Arbeit: weiter lernen, weiter kämpfen. Manche Paare schaffen das sogar innerhalb einer Beziehung.
Aber Vorsicht, auch vor Singles macht die Unzufriedenheit nicht halt! Drum mache ich, trotz Beruf und Kindern, regelmäßig meine Träume wahr: Ich lerne Klavier, Gesang, gehe zum Salsa-Kurs und lerne sogar fliegen! Vor kurzem hab ich die erste Prüfung fürs Gleitschirmfliegen bestanden und kann mich fast Pilotin nennen, rein theoretischer Natur. Hätte mir jemand vor drei Jahren gesagt, dass ich freiwillig in die Luft gehen würde, trotz Höhenangst, ich hätte ihn ausgelacht. Doch wer lernt, bleibt nicht stehen und lernt sogar fliegen.
Und die Moral von der G’schicht? Lieber ein zufriedenes Ganzes als zwei geschrottete Hälften!


 © M.Th. Kroetz Relin erschienen in BILD AM SONNTAG am 21.9.08




 
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