Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
NEUE NACHRICHT- If pigs could flypa....
.... Wenn Frauen die Bodenhaftung verlieren

Manchmal frag´ ich mich, was Sprache und Worte auslösen können, beziehungsweise, womit sie uns anziehen. Zum Beispiel das Wort „Hausfrau“.
Das hab´ ich gehasst. Konnte ich nicht ausstehen. Und was hab´ ich gemacht?
Ich hab die Hausfrauenrevolution.com gegründet. Erfolgreich. Seitdem tippe ich dieses mir doch so verhasste Wort tagtäglich.
Oder der Titel meines ersten Buches „If pigs could fly“ (Piper Verlag) – da hatte ich ahnungslos das englische Sprichwort erkoren, um zu symbolisieren, dass wir Frauen jawohl das Unmögliche möglich machen werden. Fein, aber wäre hätte gedacht, dass mich mein eigener Titel wörtlich nimmt?
Alles begann vor 1 ½ Jahren: zum 17. Geburtstag machte ich meiner Tochter ein eher außergewöhnliches Geschenk: Sie sollte in ihr neues Lebensjahr hineinfliegen. Die Freude über den versprochenen Tandem-Gleitschirmflug war groß. Ich erklärte ihr kurz vor dem Abheben in mütterlichem Ton, dass ich ihren Mut bewundere, mich würden nämlich keine 10 Pferde in die Luft bewegen, selbst wenn Pegasus und Ikarus beschützend mitschweben würden. „Vergiss es! Ich habe Höhenangst!“, sagte ich zu meiner Tochter, „Außer vielleicht im Namen der Hausfrauenrevolution, sozusagen als eine erzwungene Vorbildfunktion beim Überspringen einer Hemmschwelle, würde ich mich dem freien Fall ergebe. Aber nur wenn ich MUSS.“ Ja von wegen, Pustekuchen! „Das Wort einer Frau ist wie ein feuchter Fleck an der Wand.“ So steht’s in meinem zweiten Buch „Wie Frauen ticken“ (Schwarzkopf & Schwarzkopf Verlag) geschrieben, welches wahrscheinlich auch nur entstand, um mir schonend beizubringen, wie ich selber ticke. Denn das wusste ich ja bis dato nicht.
Jedenfalls landete meine Tochter so was von überglücklich wieder auf dem Boden, dass sie stundenlang auf Erden „weiterschwebte“. „Mist,“ dachte ich, „muss ja sehr spannend gewesen sein in der Luft. Meine Tochter hat etwas erlebt, was ich nie erleben werde...“.
Der Ehrgeiz piekste mich von nun an penetrant. Meine eigenen Worte lagen mir im Ohr. Ja, ich weiß „Sag niemals nie“. Tja, da stand ich nun, ich armer Tor und war so klug als wie zu vor. „Siehst Du die Bucht da unten? Auf die läufst Du solange zu, bis wir in der Luft sind!“ war die letzte Anweisung meines Piloten. Ich suchte die Bucht mit meinem Blick. Erst laufen, dann fliegen. Aha. Mein Kopf versuchte letzte Zweifel zu beruhigen. Hinter uns lag der bunte Gleitschirm ausgebreitet auf dem Boden. Warten auf Wind zum abheben. „Jetzt!“ Ein mächtiges Rauschen, der Schirm erhob sich und stand majestätisch über uns in der Luft. „Lauf!“ Ich begann einfach zu laufen, ohne nachzudenken ergab ich mich dem Moment- ein, zwei, drei Schritte – bis plötzlich meine Füße keinen Boden mehr spürten. Ich flog! Kein zurück, nur noch vorwärts und abwärts stand mir bevor. „Vergiss die Angst, Baby“ dachte ich und hievte mich in den Gurtsitz, mein Herz raste und - denn erstens kommt es anders und zweitens als man denkt- durchströmte mich das Urgefühl der Freiheit. Frei wie ein Vogel, es war unglaublich! Ich fühlte mich so leicht, meine Höhenangst war verschwunden, nachdem sie mich beinahe 40 Jahre gequält hatte! Unter mir breitete sich eine ungeahnt schöne Landschaft aus, so, als ob der liebe Gott Berge wie Seidentücher auf dieser Insel verteilt hätte.
Sanft wie eine Feder „wurde“ ich gelandet, hatte die Welt von oben gesehen und meine tiefsten Ängste dem Wind überlassen...
Seit meiner ersten Flug-Erfahrung mit Mike Theiss und seinem Teneriffa-Paragliding-Team war’s um mich geschehen, die Leidenschaft zum Fliegen erkämpfte sich einen Platz in meinem Herzen. Zwar bin ich noch weit entfernt mich zu den „Flying pigs“  zu zählen und die Kunst des Fliegens selbst zu erlernen (obwohl auch Muttis im gehoben Alter zugelassen werden), aber wenn sich eine Gelegenheit ergibt, das bunte Treiben zu beobachten, dann bin ich dabei: Let’s flypa!
Teneriffa -  Vom 27. April bis 1. Mai fand das dritte internationale Gleitschirmfliegertreffen „Flypa 2007“  in Los Realejos statt. Das kann Mutti sich nicht entgehen lassen! Stellen Sie sich einen pechschwarzen Lavastrand namens „Socorro“ vor, was zu Deutsch soviel heißt wie „Strand der Hilfe (-suchenden)“. Vor Ihnen das dunkelblaue Meer mit kräftigen Wellen, in denen sich einige Surfer tummeln. Hinter Ihnen türmen sich dunkle, ewig hohe Berge auf. Und da sitzen Sie nun und gucken. Na toll. Aber plötzlich erscheinen unzählige Gleitschirme, die lautlos in der Luft ihre Runde ziehen. Schlagartig bestaunen Sie mit kindlicher Freude und Begeisterung das bunte Treiben am Himmel, so als ob sich dort die allseits bekannten 99 Luftballons tummeln würden! Mehr als 500 Gleitschirmflieger aus ganz Europa und auch aus Amerika nehmen aktiv an der FLYPA 2007 teil. Sie kommen aus dem Staunen nicht mehr raus, denn das war noch lange nicht alles: abgesehen von der Flugschau der spanischen Luftwaffe mit F-18-Maschinen gab es täglich je zwei Paramotor- und Akrobatik-Vorführungen! Und wenn Sie das sehen, dann bleibt Ihnen das Herz stehen oder es holpert unregelmäßig vor sich hin, denn was diese Elite-Piloten in hohen Lüften aufführen ist einfach unglaublich! Zuerst gab´s gleich einen neuen Weltrekord: Ramón Morillas startete mit seinem Motorgleiter von Jerez (Festland Spanien) seinen Überflug auf die Kanaren und legte insgesamt 1.101 Kilometer zurück. 150 Kilometer über seiner alten Bestmarke. Dann beginnt die Show mit dem österreichischen Acro-Flugteam „The Renegades“: Die Jungs formatieren sich in der Luft wie Trapezkünstler im Circus - weltweit übrigens als Einzige - Sie stehen übereinander, einer kippt nach unten, das Publikum jault auf. Der „Kopfüber“-Bursche, Stefan Müller, 18 Jahre alt, sagte mir „Es ist reine Teamwork. Wenn einer von uns fünf einen Fehler macht, dann kann das für uns alle verhängnisvoll sein.“ Spannend ist es auch, wenn man einen wild herumwirbelnden Gleitschirm beobachtet und dann, nach geglückter Landung, der Pilot den Helm abnimmt, eine schwarze lange Mähne zum Vorschein kommt und sich dahinter die attraktive Japanerin Seiko Fukuoka verbirgt. Das gibt mir Mut, denn das Gleitschirmfliegen ist nach wie vor eine Männerdomäne, obwohl wir Weiber eigentlich sehr dafür geeignet sind. Wie zum Beispiel die Schweizerin Judith Zweifel , ein ganz besonders verrücktes Huhn am akrobatischen Fliegerhimmel. Oder die Gebrüder Aljaz und Urban Valic   die vor kurzem in Südafrika den neuen Weltrekord im Distanzfliegen (426,8 km in 7.31 Stunden) aufstellten. Das muss man sich mal vorstellen: ein Himmel voller Weltmeister! Da geht die Post ab, das kann ich Ihnen zuverlässig sagen. Die Flugattraktionen wurden abends von Konzerten begleitet, wie zum Beispiel von  M-Clan , hier in Spanien sehr bekannt durch seinen Hit „Sopa fria“ - die kalte Suppe-, die er nach wie vor für seine „Carolina“ auslöffelt. Am letzten Abend noch ein Highlight: eine Gleitschirmschau bei Nacht mit Lichtern und Überraschungen, durchgeführt vom Team Draco und dem Franzosen und Motorschirmweltmeister Mathieu Rouanet. So was habe ich bis dato nicht gesehen. Den endgültigen Rest gibt mir das halbstündige „Wasserfeuerwerk“. Staunen meinerseits, mir bleibt der Atem weg. Und vor lauter Himmel gucken tut mir nun der Nacken weh, was aber den Vorteil hat, das ich mir endlich mal wieder eine Massage gönnen kann. Schön war’s!
Ach Mädels, lasst uns doch öfter mal abheben, bevor wir in die Luft gehen!
Da fällt mir das Schlusswort aus meinem ersten Buch ein:  „Und sollte sich der Himmel über Ihnen verdunkeln und Sie ein Rauschen vernehmen, dann sind es fliegende Schweine, die gelernt haben zusammenzuhalten um zu verändern. Sie sind auf dem Weg, das Unmögliche möglich zu machen. Mehr nicht.“
Oder wenigstens „If pigs could flypa....“
P.S.: Na ja, träumen wird frau wohl noch dürfen, oder?


© Marie Theres Kroetz Relin 08.05.07 erschienen in NEUE NACHRICHT
 
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