Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Die Welt- "Zu Hause droht die Staubsauger-Lethargie"- Interview von Sabine Höher

Die Schauspielerin und freie Journalistin Marie Theres Kroetz Relin, 41, ist die Tochter von Maria Schell und Veit Relin und die Ex-Frau von Dramatiker Franz-Xaver Kroetz. Sie lebt mit ihren Kindern Josephine, 19, Magdalena, 15 und Ferdinand,12, auf Teneriffa. Vor fünf Jahren gründete sie die Homepage „Hausfrauenrevolution“.


Frage: Sie haben vor fünf Jahren die Homepage „Hausfrauenrevolution“ gegründet. Wofür wollten Sie auf die Barrikaden gehen?

Kroetz Relin: Ich habe einfach gemerkt, dass sehr viele Frauen in einer ähnlichen Situation sind wie ich, es aber einfach keine Plattform gab, sich auszutauschen. Als ich damals online gegangen bin, war das Thema Hausfrauen überhaupt noch nicht in
den Medien. Eigentlich dachte ich, dass es eher eine private Seite wird. Dass sie so einschlägt, hätte ich nicht erwartet. Diese Vereinsamung am Herd, diese Nicht-Anerkennung der Gesellschaft, die Selbstabstempelung der Frauen als „Nur-Hausfrauen“ und ihre fehlenden gesellschaftlichen Rechte sind ein großes Problem. Ich bin damals aus meinem eigenen Notstand heraus aktiv geworden und ich habe ja auch die Konsequenzen daraus gezogen: Ich bin wieder berufstätig geworden, ich habe ein Buch geschrieben und ich habe die Scheidung eingereicht. Meine persönlichen Ziele der Hausfrauenrevolution habe ich erreicht. Aber natürlich krebsen da noch viele herum, denen man noch helfen muss.

Das heißt doch im Grunde genommen: Sie haben sich emanzipiert vom Beruf der Hausfrau. Ging es Ihnen nicht eigentlich darum, den Beruf der Hausfrau an sich zu
emanzipieren?

Kroetz Relin: Beides. Das Hauptproblem der Frauen ist doch, dass sie irgendwann den Kopf in den Sand stecken und der Staubsauger- Lethargie verfallen. Daraus schließe ich, dass das Phänomen der Co-Abhängigkeit in Deutschland sehr groß ist. Viele sind in einer Beziehung gefangen und kommen aus ihrer Situation nicht heraus.

Frage: Man hat geradezu das Gefühl, dass der Beruf „Hausfrau“ politisch inkorrekt geworden ist. Welches Selbstverständnis haben Hausfrauen heutzutage?

Kroetz Relin: Das ist ein Identifikationsproblem der Frauen selbst. Auch wir Frauen untereinander definieren uns ja ständig über das Einkommen. Damit müsste man aufhören. Wir müssen anfangen, unsere Leistung gegenseitig anzuerkennen. Eine Mutter, die drei Kinder erzieht, arbeitet genauso wie ihre erwerbstätige Nachbarin. Der Fauxpas liegt doch darin, dass nicht einmal mehr erkannt wird, dass Hausfrauen und Mütter die Basis unserer Gesellschaft sind. Es wird nie ein normales Bild gezeichnet. Eine Mutter, die zum Beispiel ein krankes Kind hat denkt überhaupt nicht an Karriere. Was glauben Sie, warum ich als Schauspielerin aufgehört habe zu arbeiten? Ich hatte zwei Asthma-kranke Kinder daheim. Mir war Karriere so was von wurscht. Ich wollte, dass meine Kinder Luft kriegen.

Sind sich Frauen manchmal selbst ihr größter Feind, weil sie sich gegenseitig ihre Lebensmodelle um die Ohren hauen?

Kroetz Relin: Ja, auf alle Fälle. Weil sie sich rechtfertigen. Manchmal verstehe ich die ganze Emanzipation nicht. 1948 hat man sich über „Das andere Geschlecht“ von Simone de Beauvoir unterhalten, ein Buch, das nach wie vor Gültigkeit hat. Heute spricht man über die Bücher von Eva Herman. Da fragt man sich: Auf welchem Niveau diskutieren wir eigentlich?

Aber Eva Herman hat großen Zuspruch erfahren…

Kroetz Relin: Viele haben sie wohl als Sprachrohr begriffen, weil sie das Gefühl hatten: hier kann ich endlich mal mitreden, die meint ja mich! Ich finde es aber schade, dass emanzipierte Frauen auf das Thema überhaupt eingehen. Frau Herman hätte nie eine Karriere machen können und nie ihr Leben so leben können, wie sie es lebt, wenn es die 68er nicht gegeben hätte. Wenn man dann auch noch politisch ungebildet ist, sollte man einfach den Schnabel halten. Mich stört, dass das Mutter- und Hausfrauensein in ein so falsches Licht gerückt wird, dass man wieder nicht auf den Punkt kommt, wo die eigentlichen Probleme sind.

Frage: Nämlich? Woran mangelt es am meisten?

Kroetz Relin: Es mangelt an Aufklärung in jeder Form. Viele Hausfrauen wissen ja nicht einmal, was für eine Rente auf sie zukommt. Das ist ein absoluter Armutsfaktor im Alter. Das einzige Gesetz, in dem wir Hausfrauen anerkannt sind, ist das Ehegattensplitting. Das wiederum kommt uns aber gar nicht zugute. Eigentlich müsste dieses Ehegattensplitting automatisch an den erwerbslosen Ehepartner gezahlt wer den, damit der eine Absicherung für später hat.

Frage: Regen Sie ein Erziehungsgehalt an?

Kroetz Relin: Ich halte das nicht für finanzierbar. Der Staat kann auch nicht alles leisten. Allerdings sollte es wenigstens eine Rente geben für Mütter, die Kinder erziehen. Im Moment gibt es gerade einmal drei Jahre Kindererziehungszeiten in der Rentenversicherung. In drei Jahren habe ich aber kein Kind erzogen – das dauert 20 Jahre. Es gibt aber auch viele andere Dinge, die Familien das Leben erleichtern würden. Einheitliche Betreuungszeiten in den Schulen etwa, freie Fahrt in öffentlichen Verkehrsmitteln für Kinder oder freier Eintritt in Museen. Viele Familien können sich ja heutzutage gar nichts mehr leisten.

Kann der Beruf der Hausfrau überhaupt erfüllend sein?

Kroetz Relin: Wenn jemand wirklich darin aufgeht und auch viel Verantwortung trägt, ist das schon sehr ausfüllend und kann auch erfüllend sein. Mir persönlich ist es zu einsam.

Sie fühlten sich wie in einem seelischen Knast, haben Sie gesagt. Wie halten Sie den Widerspruch aus, einerseits Frauen zu einer Familienphase zu ermutigen und gleichzeitig für sich festzustellen, dass es im Unglück mündet?

Kroetz Relin: Es muss nicht unbedingt im Unglück enden. Die Frau muss sich aber viel mehr bewusst werden, was sie tut. Denn der Alltag tötet einfach jede Kreativität. Er ist fordernd. Daraus auszubrechen ist sehr schwer, wenn man einmal im Hamsterrad drin ist. Für mich persönlich war das Kinderkriegen und -aufziehen ein tolles Erlebnis, das ich nie missen wollte. Trotzdem darf man sein eigenes Leben nicht ganz beiseite stellen. Viele Frauen haben die Tendenz, die „Gute“ sein zu wollen und alles wuppen zu wollen, weil es für sie die einzige Formist, Anerkennung und Streicheleinheiten zu bekommen. Die Frauen müssten viel mehr den Mut entwickeln, auch einmal abgelehnt zu werden und für sich selber etwas zu machen. Dieser Mut fehlt oft.

Kann es überhaupt gelingen, dass Männer und Frauen sich innerhalb einer Ehe auf Augenhöhe begegnen, wenn nur einer von beiden das Geld nach Hause bringt?

Kroetz Relin: Ja, aber dann muss derjenige, der nicht das Geld nach Hause bringt, dieses Selbstbewusst sein auch ausstrahlen. Ich habe das erst mühevoll lernen müssen. Jetzt, nachdem die finanziellen Dinge zwischen meinem Exmann und mir geregelt sind, verstehen wir uns auf einmal blendend und begegnen uns auf Augenhöhe. Ich frage mich, warum ich meine Bedürfnisse nicht viel früher eingefordert habe.

Sehen Sie ihr persönliches Lebensmodell aufgrund der Scheidung von Ihrem Mann als gescheitert an?

Kroetz Relin: Ich sehe überhaupt nie etwas als gescheitert an. Erfahrungen sind dazu da, sich weiterzuentwickeln. Ich hätte nie die Hausfrauenrevolution gegründet, wenn ich nicht in einem seelischen Tief gewesen wäre. Ich habe mich aber aus eigener Kraft daraus befreit und mir einen ganz neuen Weg gesucht – mit dem Ergebnis, dass Franz Xaver Kroetz und ich jetzt eine neue, freundschaftliche Beziehung auf einer ganz anderen Basis haben. Ich habe meinem Ex-Mann sehr viel Verantwortung abgenommen, weil wir die klassische Rollenverteilung gelebt haben. Vielleicht habe ich ihm damit aber auch sehr viel Freude weggenommen. Diesen Sommer bin ich zum Beispiel zwei Monate auf Reisen gewesen, um an meinem Buch zu arbeiten. Die Kinder habe ich schlicht und ergreifend bei ihrem Vater gelassen. Er hat das hervorragend gemacht. Aber das wäre innerhalb der Ehe nie möglich gewesen. Daran bin ich auch selbst schuld.

Sind wir alle zu sehr gefangen in unseren Rollenmustern?

Kroetz Relin: Ja. Wir trauen uns viel zu wenige Neuanfänge zu. Aber jeder Neuanfang hat etwas Spannendes. Seit ich mich entschieden habe, ganz viele Neuanfänge zu starten und einfach auszuprobieren, wo meine Grenzen liegen, geht es mir viel besser.

In Deutschland versucht man dem Bedürfnis nach Vereinbarkeit von Beruf und Familie für beide Elternteile inzwischen stärker nach zukommen durch Instrumente wie Elterngeld, Vätermonate und den Ausbau von Krippenplätzen. Halten Sie diese Politik für richtig?

Kroetz Relin: Auf alle Fälle. Ganz grundsätzlich gilt: Je natürlicher es wird, dass Vater und Mutter für ihre Kinder da sein müssen, umso besser. Es ist sehr wichtig, dass Frauen heute die Möglichkeit haben, Beruf und Familie zu vereinbaren. Wenn sie daheim bleiben wollen und das mit sich selber vereinbaren können, ist das auch richtig. Ich will dieses Schubladendenken nicht. Diese ganzen Definitionen, die wir Frauen uns gegenseitig an den Kopf werfen, sei es „Rabenmutter“, „Karrierefrau“, „Nur-Hausfrau“ oder „Heimchen am Herd“, das gibt es bei Männern gar nicht. Dabei müssen wir uns nur einmal bewusst werden, dass auch der größte Macho neun Monate im Bauch einer kleinen Frau ausharren muss. Männer existieren ohne uns Frauen gar nicht. Kann man nicht einfach auch einmal so denken?

Gibt es das ideale Lebensmodell?

Kroetz Relin: Wenn beide Partner in irgendeiner Weise unabhängig bleiben und auf eigenen Beinen stehen, ist das die beste Voraussetzung für eine gute Beziehung. Dann entfällt auch dieser ganze Druck von „Ich hab das Geld“, das ganze Verteidigen der eigenen Position. Das ist auch das, was ich meinen Töchtern mitgeben will: verliebt euch, bekommt so viele Kinder, wie ihr möchtet, aber bleibt unabhängig.

Kann man als Nur-Hausfrau unabhängig bleiben?

Kroetz Relin: Man braucht dazu das Selbstbewusstsein, innerhalb der Ehe seine Rechte einzufordern. Dann muss man sagen: Ich mache den Job zuhause, ich wuppe die Kindererziehung und den Haushalt, ich möchte dafür eine Anerkennung haben – und deshalb geht eine Summe x in die Altersversorgung. Da muss eine Frau wirklich ihren Mann stehen und sagen: Ich fordere das.

Dieses Bewusstsein zu wecken, ist auch Ziel der Hausfrauenrevolution?

Kroetz Relin: Es geht vor allem darum, diese ewige Sprachlosigkeit zu überwinden. Auf meiner Homepage beschreiben die Leute sehr eindringlich, wo die wahren Probleme liegen. Sie öffnen sich vor mir und beschreiben ihre Probleme, etwa mit Hartz 4 oder mit der Rente. Das Seltsame ist: je jünger die Frauen werden, umso konservativer sind sie.

Warum?

Kroetz Relin: Es ist wohl eine Mischung. Ich beobachte da eine tiefe Sehnsucht nach Geborgenheit, nach einem, der einem, der sagt, wo es lang geht. Viele junge Menschen leben in einer Art Apathie. Jeder möchte ja irgendwo ein Nest haben. Aber wenn sich jeder in sein Nest verkriecht, wer soll dann unsere Gesellschaft gestalten? Es wird sich heutzutage ja kaum noch gegen irgendetwas aufgelehnt.

Also schlechte Zeiten für die Revolution?

Kroetz Relin: Eine Revolution ohne Revolutionäre ist immer ein bisschen schwierig. Aber das macht nichts, denn ich glaube, dass ein Gedankengut sehr lange Zeit immer wiederholt werden muss, bis es irgendwo hinsackert, und ich bin froh, wenn überhaupt etwas sackert. Als ich vor fünf Jahren gesagt habe, ich mache die Hausfrauenrevolution, haben mich alle ausgelacht, Männlein wie Weiblein. Mittlerweile ist das Thema Hausfrau ein ganz ernstes Thema geworden. Dass wir etwas verändern müssen, ist ganz klar. Es geht auch nicht anders. Wir brauchen Kinder. Sonst haben wir irgendwann nur noch Alte.

Würden Sie im Nachhinein sagen, dass sie Hausfrau wider Willen waren?

Kroetz Relin: Ich kann das so nicht sagen, denn jeden Job, den ich mache, mache ich 100 Prozent. Aber ich habe mich auch nicht primär als Hausfrau gesehen, sondern als Mutter. Muttersein ist eine unglaubliche Herausforderung. Aber Hausfrau allein, das ist einfach ein grauenhafter Job: langweilig, einsam und erfolglos.




Das Gespräch führte Sabine Höher, erschienen in die Welt am 12.12.2007, dazu der Der deutsche Hausfrauen - Report
 
< Zurück   Weiter >
2017 Marie Theres Kroetz Relin
WEB-Design - Martin Wagner - PHP,MYSQL,Joomla