Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
BILD AM SONNTAG - Das gefesselte Glück

Manchmal beschleicht mich das Gefühl, meine Nachbarn denken, ich hab einen an der Waffel: Vor 4 Jahren wurde ich endlich glücklich geschieden und nun taucht doch mein Ex-Gatte täglich zum Mittagessen auf. Wir sind zwar getrennt vom Bett, aber nicht vom Tisch. Und warum? Seit unserer Scheidung verstehen wir uns großartig! Alles, was innerhalb der Ehe aufgrund mangelhafter Kommunikation oder Fehlinterpretation nicht mehr möglich war, ist heute selbstverständlich. Wir unterhalten uns auf gleicher Augenhöhe, respektieren uns als Kollegen, tauschen uns aus (selbst über Liebesaffären), sind uns Ratgeber in Kunst, Beruf, Kindeserziehung und geben uns sogar Haushalts- und Kochtipps. Er ist der liebevolle Papi, ich die liebevolle Mutti. Kurz: Wir sind Freunde geworden, ganz nach dem Motto: „Alte Liebe rostet nicht.“ Ohne Streit, Groll, Unterdrückung, Eifersucht oder Abhängigkeit, weder finanziell noch seelisch. All die negativen Seiten einer Ehe sind weg. Aber warum das ganze Scheidungstrara?
Das frage ich mich täglich, wenn ich die News über frisch getrennte prominente Paare in der Zeitung lese. Wohlgemerkt: getrennt, nicht geschieden!
Vielleicht ticke ich doch nicht richtig?
Wenn ich meine Scheidung, deren Konsequenzen und Kosten, in meinem Kopf Revue passieren lasse, dann verstehe ich alle Paare, die sich dieses Hickhack ersparen wollen.
Die Ehe ist also „gescheitert“, wie es im Amtsdeutsch so schön heißt, und einer von beiden reicht nun die Scheidung ein. Jetzt geht’s los: Der Gesetzesgeber zwingt das Paar, ihre Entscheidung ordentlich zu überdenken. Ohne das obligatorische Trennungsjahr geht gar nichts. Also müssen getrennte Haushalte her, was natürlich die Kosten beider Partner erheblich steigert und obendrein die Umwelt enorm belastet. (Allein in den USA wurden von getrennten Paaren im Jahr 2008 rund 2.370 Mrd. Liter Wasser, 38 Mio. Räume, 734 Mrd. kWh Strom und zwischen 42 und 61 % mehr Ressourcen verbraucht als zuvor!)
Dem hinzu kommen nun die Anwälte, die natürlich nur das Beste für ihre Mandanten wollen. Der Kampf um Recht und Geld lässt selbst friedliche Paare langsam aber sicher vor Wut überschäumen und irgendwann doch noch den Rasierklingenblues anstimmen. Die eintreffenden Forderungen der Gegenseite (mittlerweile ist der ehemals geliebte Mensch fast zum „Feind“ mutiert) erzeugen regelmäßig heftiges Herzklopfen, Kopfschütteln, Verzweiflung, Trotzreaktionen und Rachegedanken. Schon klopft ein stacheliger Rosenkrieg an die Tür, und diesem zu entkommen ist verdammt schwer, außer: man verzichtet!

Ja, wo ich eben noch so launig über alte Liebe und neue Vertrautheit geschrieben habe, muss ich jetzt über das gar nicht mehr liebe Geld schreiben, denn wir wollen ja authentisch sein und bei der Wahrheit bleiben und in meinem Fall ist Bares leider Wahres.
Ich habe, dem Frieden zuliebe und gegen den Rat meiner Anwältin, auf den Versorgungsausgleich verzichtet. Ich bin ja schließlich noch „jung“ und kann demnach noch genügend in meine Altersversorgung einbezahlen. Denkste!
Vorher Schauspielerin, heute Autorin, dazwischen eine 16-jährige Karriere als dreifache Mutter und Hausfrau. Bingo! Meinen „goldenen Lebensabend“ kann ich mir jetzt schon abschminken! Laut meinem aktuellen Rentenbescheid bekäme ich heute eine Rente von monatlich 252,11 €! Wenn ich weiter so brav einzahle wie in den letzten fünf Jahren, stehen mir sogar satte 541,71 € zu! Wow!
Ich habe also mit 65 Jahren die Qual der Wahl: Altersarmut oder Hartz IV? (Und das, nachdem ich drei Steuerzahler groß gezogen habe.)
Wahrscheinlich komme ich als Rentnerin mit Hartz IV besser weg.
Und mein Ex-Gatte? Dem wünsche ich, er möge altersmäßig der „Jopi Heesters unter den Dichtern“ werden, damit sich die vielen hohen Beiträge auszahlen und er seine Rente lange genießen kann, denn eine Witwe hat er nicht in petto.
Ein weiterer Beigeschmack der Scheidung: Mutti bekommt nur noch das halbe Kindergeld, die andere Hälfte gehört Papi, auch wenn er die Kinder nicht großzieht. Denn laut Gesetz wird der hälftige Kindergeldbetrag automatisch bei der Kindesunterhaltsberechnung abgezogen. Leider wissen viele das nicht, oder es ist ihnen nicht bewusst. Kein Wunder!
Jedenfalls landet der Alleinerziehende nach der Scheidung in Steuerklasse II und „kassiert“ einen steuerlichen Entlastungsfreibetrag von 1308 €. Yeah, ein bisschen Gerechtigkeit muss sein, selbst im Steuerrecht! Ein kleiner Ausgleich für die Mehrfachbelastungen einer alleinerziehenden Mutti, schließlich muss sie ja neben der Kindeserziehung auch noch Kohle für sich und ihre Brut verdienen.
Ich will hier wirklich keine Mitbetroffenen zum Steuerschummeln animieren, noch nicht mal ein bisschen, aber dass mit dem Sonderbonus sofort Schluss ist, sobald bei Mutti eine erwachsene und erwerbstätige Person im Haushalt lebt, halte ich schon für ein Stück aus dem fiskalischen Tollhaus! Ich würde ja noch verstehen, wenn es sich hierbei um den neuen Kerl, der bei ihr eingezogen ist, handelt, obwohl ich auch das fraglich finde, denn ein neuer Lebenspartner muss sich ja nicht unbedingt ums finanzielle Wohl von Mutti und deren Kinder kümmern. Richtig gemein wird’s aber erst, wenn ein volljähriges Kind im mütterlichen Haushalt lebt und kein Kindergeld mehr erhält, weil schon erwerbstätig oder mit abgeschlossener Ausbildung! Dann fällt der Entlastungsfreibetrag für Alleinerziehende ganz weg! Wohlgemerkt auch dann, wenn sich noch weitere minderjährige Kinder im Haushalt befinden!
Das muss man sich mal vorstellen: Da bekomme ich nur noch die Hälfte vom Kindergeld und soll nun mein Baby auch noch auf die Straße setzen! Hallo?
Wie gut, dass meine Große schon auf eigenen Beinen steht. Und ein neuer Mann ist für Mutti auch tabu. Denn egal ob Geliebter oder volljähriges „kindergeldloses“ Kind im Haus: Schwupp sind der Bonus und Steuerklasse II Geschichte und Mutti wird ab sofort wie ein Single besteuert! Als wäre nie was gewesen!
Wenn ich die gesamten Kosten plus Verluste durch erhöhte Steuerklasse bis zur Rente auf beiden Seiten zusammenzähle, dann kann ich getrost sagen: Ja, ich hab einen an der Waffel!
Was hätten wir uns mit einer friedlichen Trennung alles ersparen können? Vielleicht nicht die Schlagzeilen, aber dafür viel Stress und vor allem viel Kohle!
Ach, Du lieber Franz!

© Marie Theres Kroetz Relin 2010 – erschienen in Bild am Sonntag am 28.02.2010
 
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