Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Die Ganze Woche (A) - Interview Marie Theres Kroetz Relin

Am 26. April jährte sich Maria Schells Todestag zum fünften Mal. Aus diesem Anlass bat WOCHE-Reporter Gerald Vukits Schells Tochter Marie Theres Kroetz Relin, zum Interview.

Bei mir in Österreich ist es derzeit so: Regen und eher kühl. Wie sieht es bei Ihnen aus?

Sonnig und 21 Grad. Aber, es ist ja erst 11 Uhr...

Wenn ich hingegen aus dem Fenster sehe, sehe ich derzeit nichts als dichte Wolken. Was sehen Sie?

Das Meer...

Natürlich weiß ich, dass Sie auf Teneriffa leben...

Seit 1998. Dieses Haus kauften mein Ex-Mann Franz Xaver Kroetz (54) und ich.

Wie geht es Ihnen wenige Tage vor dem fünften Todestag Ihrer Mutter?

Ich denke sehr oft an sie. Und freue mich, dass ich anlässlich ihres Todestages an sie in Form von Interviews erinnern darf. Beim Begräbnis kam kein Kranz aus Österreich, Deutschland, oder aus der Schweiz, der ihr die letzte Ehre gegeben hätte. Dafür habe ich mich geschämt. Zu den Ausnahmen zählten Placido Domingo und Frank Elstner.

 

Was fühlten Sie, als Sie die Todes-Nachricht bekamen?

Die Nachricht riss mich am 26. April 2005 morgens um acht aus meinem Alltag und versetzt mir einen Stich wie mit der Messerklinge ins Herz. Ich bin dankbar, dass sie so friedlich ihre „Zwischenwelt“ verlassen konnte. Doch der Treibjagd der Medien sah ich mit Angst entgegen und fühlte mich nackt bis auf die Seele. Meine Mama verließ diese Welt so, wie sie immer lebte: einerseits als begehrter Weltstar, anderseits als das einfache Gritli von der Alm. Ich habe mich von ihr kurz vor ihrem Tod verabschiedet.

Schauen Sie sich nach wie vor Filme Ihrer Mutter an?

Ja, manchmal.

Kennen Sie die nicht eh schon in- und auswendig?

Aber nein! Außerdem kennt man ganz wenig von seinen Eltern. Das sehe ich auch an meinen Kindern. Die wissen auch ganz wenig von mir. Erst als ich ein Buch über meine Familie geschrieben habe, habe ich mich damit intensiver beschäftigt. Es ist ja unglaublich, was die Mama alles gemacht hat. Und auch mein Onkel, Maximilian Schell. Ebenso mein österreichischer Vater Veit Relin – die vielen Uraufführungen, die er gemacht hat... Eigentlich kannte ich nur den Bruchteil ihres Schaffens, mit dem ich sozusagen aufgewachsen bin.

Leicht hatten Sie es nicht immer, was?

Meine Mama erzählte mir, dass ich sie nach meiner Geburt am 30. Juni 1966 in München fünf Minuten lang angeschaut habe. Dann habe ich fünf Minuten lang meinen Vater angeschaut – und anschließend habe ich 14 Tage durchgeschlafen. Wahrscheinlich hab ich damals schon geahnt, was mich alles erwarten würde... (lacht)

Wie waren Sie als Kind?

Ich war unglaublich brav und anhänglich – ein Musterkind. Ich glaube, ich war eine richtig liebe Tochter. Weder rebellisch, noch sonst was. Ich der Schule war ich teilweise unglaublich schlecht und Legasthenikerin. Einmal meinte ein Lehrer: ,Auch als Tochter von Maria Schell wirst du das Schuljahr so nicht schaffen.’ Das war furchtbar. Es ist schrecklich, wenn man ständig verglichen wird. Außerdem spürte ich immer wieder Neid. Aber ich war sehr strebsam. Denn ich wollte gut sein.

Wer hat mit Ihnen gelernt?

Meine Oma. Meine Kindheit verbrachte ich in Heberthal bei Wasserburg am Inn (D). Meine Mutter bekam ich seltener zu Gesicht. Aber wenn sie da war, war sie eine Spitzen-Mutter. Mein Vater arbeitete viel und hatte auch nicht so viel Zeit für die Kindererziehung. Dafür hatte ich eine tolle Großmutter, genannt Omutti. Zu meinem Kinderalltag gehörte, dass mein Leben als Tochter „von“ ständig dokumentiert wurde. Ich habe schnell gelernt, perfekt zu lächeln, auch wenn mir zum Heulen zumute war.
Ich hatte auch viel Nachhilfe-Unterricht. Mit 16 habe ich die Schule abgebrochen.

Als Tochter des Weltstars Maria Schell werden Sie wohl noch heute von vielen Menschen beneidet...

Das stimmt. Und wenn ich in Talkshows auftrete, wird mir zu Beginn gleich hineingewürgt, wie privilegiert ich bin. Dabei bin ich eine ganz normale Hausfrau, die drei Kinder groß zieht und ihr eigenes Geld verdient. Doch ehe ich das erklären kann, muss ich so viele Vorurteile abbauen. In unserer Gesellschaft fehlt es an Herzensbildung. Das heißt: Das Gegenüber so zu nehmen, wie es ist. Und zwar für seine Leistung. Meine Mama hatte eine große Herzensbildung. Ihre Wärme ist auf mich übergeschwappt und auch auf meine Kinder.

Bitte ein Beispiel zu Ihrer Mama?

Einmal unterbrach sie Dreharbeiten, weil ein Tontechniker Liebeskummer hatte. Ehe sie weiter drehte, wollte sie mit ihm darüber reden. Sie hat sich nie als Weltstar aufgeführt. Auch mein Onkel Maximilian oder mein Exmann Franz Xaver Kroetz – das sind Menschen, die können mit jedem. Und genau das spüren die Menschen, die Fans. Meine Mutter wurde nicht umsonst „Seelchen“ genannt.

Sie waren eine vielversprechende, junge Schauspielerin, doch diese Karriere endete rasch...

Mit 21 Jahren schien meine große Karriere zu starten. Für meine Rolle in dem Fernsehspiel „Das unverhoffte Glück“ erhielt ich die „Goldene Kamera als beste Nachwuchsschauspielerin“. Doch mit der glanzvollen Preisverleihung endete auch quasi meine Karriere, denn eine Münchner Zeitung lud mich zu einer Podiumsdiskussion ein mit dem vielsagenden Titel „Ist die Liebe noch zu retten?“ Dort lernte ich den Dramatiker, Regisseur und Schauspieler Franz Xaver Kroetz kennen, damals in aller Munde als „Baby Schimmerlos“ durch die erfolgreiche TV-Serie „Kir Royal“. Er schnorrte mich um eine Zigarette an und es passiert: nichts! Aber am 1. Juli 1987 begegnete ich in einem Fernsehstudio des ZDF per Zufall meinem zukünftigen Mann wieder. 13 Tage später zog ich bei ihm ein. Im Jahr darauf wurde unser erstes Kind geboren. Ich wurde Hausfrau und schließlich dreifache Mutter. Das heißt: 24 Stunden im privaten Einsatz. 1998 kauften wir ein kleines Häuschen auf Teneriffa. Wir verlegten unseren Wohnsitz auch deshalb auf die Insel, weil unsere Kinder an starkem Asthma litten, das sich dort sofort besserte. Trotz Meeresblick vom Wohnzimmerfenster aus und einen Ehemann an der Seite, der ein erfolgreicher Schriftsteller und Theater-Autor ist, wurde ich mit der Zeit allerdings immer unzufriedener. Ich litt unter der Vereinsamung am Herd. Ich wurde krank, bekam eine Lungenembolie. Ich musste etwas tun. Ich wollte wieder kreativ sein. Zunächst gründete ich die Internetseite Hausfrauenrevolution.com. Nach 12 Jahren Pause bekam ich wieder eine Rolle in einem TV-Krimi. Ich wurde Kolumnistin in einer deutschen Zeitschrift, und 2004 wurde mein erstes Buch „If pigs could fly“ ein Bestseller.

In dem Jahr, als Ihre Mutter starb, trennten sie sich von Ihrem Ehemann Franz-Xaver Kroetz. 2006 folgte die Scheidung von ihm.

Franz ist nach wie vor die Liebe meines Lebens. Aber, wie gesagt, ich wollte mich verändern. Veränderung bedeutet Arbeit. – Unentgeltliche Arbeit. Und Mut. Frustrierte Ehefrauen, die sich verändern wollen, müssen auch den Mut haben, einen Neuanfang zu starten. Ich hatte diesen Mut.

Ihre drei Kinder leben bei Ihnen?

Ja, aber sie sehen ihren Vater sehr oft. Hier, in Teneriffa, hat er eine Wohnung in der selben Straße. Ich wollte nie unseren Kindern ihren Vater wegnehmen. Das passierte auch nicht. Heute verstehen wir uns alle prächtig. Dass mir diese Veränderung gelungen ist, darauf bin ich sehr stolz. Ja, man kann sich verändern – wenn man daran glaubt.

Was machen Sie sonst noch?

Nebenbei absolviere ich eine Ausbildung zur Homöopathin. Und ich stecke mitten in den Vorbereitungen mit meiner Jazz-Band „Dixiemania“. Umgeben von tollen Musikern fungiere ich als Erzählerin, Tänzerin und Sängerin. Wir wollen in Teneriffa auftreten.

Was, wenn ein Filmangebot aus Deutschland oder ein Theaterangebot aus Österreich käme?

Dann würde ich „Hurra!“ schreien. Und, wenn die Rolle passt, annehmen und rüberfliegen. Was meine Familie in Teneriffa betrifft, ließe sich alles organisieren. Aber mir wird ja nichts angeboten. Ich bin aber eher beim Film zu Hause. Im Theater bin ich nicht so Profi. Mein einziges Theater-Engagement bisher war in Zürich an der Seite von Christiane Hörbiger und Helmuth Lohner im „Weiten Land“.

ZUR PERSON
Marie Theres Kroetz Relin wurde am 30. Juni 1966 in München geboren. Sie ist die Tochter der 2005 verstorbenen Schauspielerin Maria Schell und des österreichischen Filmregisseurs Veit Relin. Nach dem Abbruch der Schule ging sie im Alter von 16 Jahren nach Paris um Schauspiel und Pantomime zu studieren. 1983 drehte sie ihren ersten Spielfilm „Secret Places“. Für ihre Rolle in dem Fernsehspiel „Das unverhoffte Glück“ wurde Relin 1987 als beste Nachwuchsschauspielerin mit der „Goldenen Kamera“ ausgezeichnet. 1987 lernte sie den Dramatiker und Schauspieler Franz Xaver Kroetz kennen. Nach der Geburt ihrer ersten gemeinsamen Tochter Josephine im Oktober 1988 folgten zwei weitere Rollen als Filmdarstellerin. Im Februar 1992 wurde Marie Theres Kroetz Relins zweite Tochter Magdalena geboren. Kroetz und Relin heirateten am 5. März 1992. Nach der Heirat gab Marie Theres Kroetz Relin ihre Karriere als Schauspielerin vorerst auf, um sich ausschließlich ihren Kindern zu widmen. Im Mai 1995 kam das dritte gemeinsame Kind Ferdinand zur Welt. 2004 erschien ihr erstes Buch „If pigs could fly - Die Hausfrauenrevolution“, das aus diversen Einzelgeschichten von Usern ihrer Internetplattform zusammengestellt wurde. Es war ein Bestseller. Seit 2005 leben Kroetz Relin und Franz Xaver Kroetz getrennt. Die Ehe der freien Journalistin und des Dramatikers wurde am 20. November 2006 geschieden. Im Herbst 2006 gelang Marie Theres Relin mit ihrem zweiten Buch „Wie Frauen ticken“, als Co-Autorin von Hauke Brost, ein weiterer Erfolg. 2008 erschienen ihr erstes Kinderbuch „Der kleine Dichter“ und ihr Bestseller „Wie im Nebel befangen - Ich puzzle mir die Schells“. Ihre Kinder heißen Josephine Alma Maria (21), Magdalena Anna Maria (18) und Ferdinand Franz Valentin (14).

WAS MAN NOCH WISSEN SOLLTE
Die Kinder von Marie Theres Kroetz Relin...: Josephine Kroetz, geboren am 25.10.1988, steckt schon voll in den Fußstapfen ihre Familie: Mit 19 Jahren erschien ihr erster Roman „Man muss die Welt nicht verstehen, man muss sich bloß in ihr zurechtfinden – eine Geschichte für Scheidungskinder“. Mittlerweile hat sie sich einen Namen hinter der Kamera (Aufnahmeleitung, Regieassistenz) und vor der Kamera (Heiliger Antonius oder das Padua Prinzip, 2009) gemacht. „Ein begabtes Mädel, ich bin stolz, dass sie nicht nur meine Tochter, sondern auch meine beste Freundin ist“, so Marie Theres Kroetz Relin. Magdalena Kroetz, geboren am 13.02.1992, „macht gerade Abitur mit hervorragenden Noten, liest ein Buch nach dem anderen und ist mit viel Talent und Sprachwitz gesegnet“, so ihre Mutter. Ferdinand Kroetz, geboren am 31.05.1995, „ist mein Abenteurer mit goldenem Herzen, derzeit voll in der Pubertät. Seine Begabungen liegen im Visuellen (Zeichnen, Grafik) und Sport. Und er ist mit seinen 14 Jahren ein wunderbarer Tänzer (lateinamerikanische Tänze), der jede Frau führen kann, auch seine Mama....“

@ Gerald Vukits – teilweise erschienen in Die Ganze Woche (A)
 
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