Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
BILD AM SONNTAG - Launische Ansichten einer Single-line

Wenn der Tag hinter mir liegt, mein vorgenommenes Pensum bewältigt wurde, die schweren Einkaufstüten geschleppt und ausgepackt, die Brötchen mühevoll verdient, die kulinarische Versorgung gewährleistet, das Mama-Taxi von A nach B gedüst, die Hunde Gassi geführt und die E-Mails beantwortet sind und zwischen drinnen noch kurz mit dem Bohrer hantiert und die Stop-and-go- Kreativität reanimiert wurde, ja dann, nachdem ich also den ganzen lieben Tag im Alleingang „meinen Mann gestanden“ hab und die Kinder im Bett sind, ist die Zeit reif, endlich mal wieder einmal Frau zu sein. Wenigstens zu tun, so als ob. Ich sitze an meinem Küchentisch nippe an meinem Rotweinglas, der Abend fällt müde über mich her und mit ihm die Melancholie. Nix da! Ich schnappe mir die Zeitung, die ich eh den ganzen Tag aus Zeitmangel links liegen ließ, blättere mich lustlos durch alle Schreckensnachrichten dieser Welt und stoße endlich auf mein Horoskop und entdecke, Kacke, den Satz, der sich wie ein kaltes Eisen durch mein Herz bohrt (melodramatische Stimmungen müssen ihres Gleichen formuliert werden):
Liebe: Für Singles stellt sich jetzt die Frage: Affäre oder Bindung? Die Chancen stehen für beides gut. Ein Dauerdiskussionsthema nervt Paare. Beide Seiten sehnen sich nach Harmonie. Verflucht, jetzt bin ich sauer! Welche Chancen? Harmonie, ja! - aber mit wem? Doofes Horoskop, könnt ihr nicht zeitgleich mit dem Blick in die Sterne den Mann dazuliefern? Ich gehe zur Abkühlung meines erhitzen Gemütes nach draußen, kuschle mich nachdenklich in meine Jacke und betrachte den Himmel im milden Mondlicht. Gemeinsam Sterne gucken – mehr nicht. Jetzt fehlt er mir - er der Unbekannte, der irgendwo auf der Welt hockt und dem es vielleicht genauso geht wie mir? Und womöglich auch noch auf die gleichen Sterne starrt! Ich seufze die kristallklare Luft ein und entsprechend laut wieder aus. Meine Hormone scheinen verrückt zu spielen. „Dann hättest du ja zwischenzeitlich schon mal auftauchen können, Mr. Charming!“, zische ich erbost in das Nichts der Nacht, gehe rein, nehme noch einen kräftigen Schluck und fühle mich einsam sentimental angehaucht. Schluss jetzt, ich bin eine praktische Frau mit Verstand, sorry, für Gefühlsduseleien keine Zeit! Ich eile ins Bad und putze energisch über meine Zähne, so als würde ich, den fahlen Geschmack des sehnsüchtigen Liebesgeflüsters endgültig aus meinem Mund verbannen wollen. Ein kurzer Blick in den Spiegel, ein ermunterndes „Du schaust doch super aus, Frau!“ entgegen gehaucht, dabei über die kleinen Fältchen hinweg gesehen, noch schnell je eine Streicheleinheit an die Hunde verteilt, Wohlempfinden als Dankeschön erhalten und ab ins Bett.
Da lieg ich nun, in meinem auf zwei Mal zwei Meter großen Bett. Eingemummelt in die Decke, ans Kopfkissen geschmiegt und kann nicht schlafen. Na super! „Was willst Du eigentlich?“ appelliere ich an mich selbst. Gedanken springen in meinem Kopf, das wild herrschende Chaos kann nur noch durch eine strategische Sortierung der Vor- und Nachteile meines Single-Daseins beseitigt werden.
Ich fang mal mit den Vorteilen an: mein Bett! Erst nach der Ehe hab ich mir den Luxus geleistet, mich ausbreiten zu können. Alle haben mich gefragt, „Warum brauchst du so ein großes Bett?“ – für mich, wen denn sonst? EBEN. Meine Unabhängigkeit möchte ich nicht mehr aufgeben. Nie wieder in Abhängigkeit geraten, weder finanziell noch seelisch. Meine Freiheit, oh ja, die ist mir auch wichtig, wenn nicht sogar schon heilig. Ich kann tun und lassen was ich will – na ja, fast, sofern es der Alltag zulässt - und muss bei niemandem Rechenschaft ablegen. Keine Eifersucht mehr ertragen müssen, welch ein Pluspunkt! Ich hasse diese dämliche Eifersucht, die sich früher oder später in jede Beziehung frisst – nein danke, die will ich nicht mehr. Ich habe gelernt mich selbst zu lieben, mich selbst zu verwöhnen und zu bekochen, meinen eigenen Wert zu schätzen und habe mich, im liebenvollen Umgang mit mir selbst, verändert – positiv versteht sich - weniger Stress, Wut, Tränen und Sorgen sind die Folge. Ich habe die Verantwortung für mein Leben übernommen und suche nicht mehr den „Schuldigen“ für meine eigene Misere – ich stehe zu meinen Fehlern und meinen Freuden. Die langweilige Gewohntheit einer Beziehung ist auch nicht mehr da, für Spannung kann ich selbst sorgen. Und ich kann ganz anders genießen ... Na bitte, klingt doch super!
Gut, und nun die Nachteile. Oje, jetzt denke ich in Zeitlupe und ziehe das Kopfkissen ganz eng an mich ran, es fällt nicht leicht, ehrlich zu sich selbst zu sein: Der Austausch fehlt. Sicher ich hab viele Freunde, meine Kinder, selbst meinen Ex-Gatten zum Gesprächspartner – er würde jetzt sagen: „Du redest, ich hör zu“, – aber so ein ganz eigener Austausch, jemand der einen versteht, wo man sich nicht verstellen muss, wo man Frau sein darf und das Pflichtbewusstsein einer Mutter mal ausgeschaltet ist – ja, der fehlt. Den Humor, ich lache so gern, das verbale Pingpong, dass die Seele schmunzeln lässt, vermisse ich auch. Das vermissen aber auch viele Paare, denn in den meisten Beziehungen gibt’s eh nichts zu lachen. Die Verantwortung – und auch die Einkaufstüten – nicht immer alleine tragen zu müssen. Weiblichkeit spüren, weil man begehrt wird. Gegenseitiges Entdecken, gemeinsames Lernen und Weiterkommen. Großzügigkeit. Und eine regelmäßige Durchblutung würde auch nicht schaden, samt Zärtlichkeiten.
Upps, ich merke, dass ich mein Kopfkissen bereits im Würgegriff halte und lasse erschocken los. „Also die Vorteile überwiegen eindeutig, ich bin zufrieden als Single!“ beschließe ich mein Resümee. Tja, wenn da nicht dieser kleine Rest von Wunschdenken und Traumbildern herumschlummern würde. Aber gibt’s den Traummann überhaupt oder ist es die Sehnsucht nach einem Gefühl? Selbst meine Töchter machen einen dicken Bogen um feste Beziehungen.
Was soll’s? Liebe kann man sowieso nicht vorprogrammieren – die trifft einen plötzlich und meist dann, wenn man am wenigstens damit rechnet. Ich lass mich überraschen.
Und bis dahin, Gute Nacht, liebe Single-line!


© M.Th. Kroetz Relin, erschinen BILD AM SONNTAG am 8.11.09
 
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