Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Weibsstück: 36 Stunden Talkgast
Im Treppenhaus treffe ich meinen Nachbarn Josef, verheiratet, zwei Kinder und von Beruf Maurer: „I hob di und dei’ Tochta im Fernseh geseh’n! Du warst die einzig „Normale“. Wie kann die Justizministerin davon ausgehen, dass jeder Bürger 2400 Euro im Monat verdient? I net! Sag amoi: in welcher Welt leben eigentlich die Politiker?“
Mein Herz wird weich, er spricht mir aus der Seele. „Ja, das weiß ich auch nicht, in welcher Welt die „Oberen“ dieser Gesellschaft leben. Ich weiß nur, dass sie den Blick auf die Realität verloren haben. Wenn ich in so einer Talkshow auftrete, werde ich aus meinem Hausfrauen-Alltag rausgerissen, muss möglichst schnell Kids und Haushalt auf die Reihe kriegen und fliege plötzlich Business-Class. In viel zu großen Sitzen versinke ich und fühle mich im Luxus verloren, für 36 Stunden in die Show-Welt getaucht. Danach fühle ich mich wie ein benutzter Teebeutel. Im Edel-Hotel mache ich einmal „Hatschi“ und kann für ein freundliches „Gesundheit“ gleich 5 Euro blechen. Beim Frühstück spendiere ich mir ein Rührei und bekomme die Rechnung serviert: 50 Euro- das teuerste Rührei der Welt!“ -  „Bist du narrisch!“ schimpft Josef. „Und dazwischen die 60 Minuten „Live-Blabla“ im TV, wo über Unterhalt, alleinerziehende Mütter und den „Normal-Verdiener“ gelabert wird. All das von Menschen, die immer 1. Klasse fliegen und leben!“ -  „Keine Chance für die Realität!“ kapituliert Josef. „Nicht mal im Hirn!“ nicke ich „Und wo eine Will ist, ist nicht unbedingt ein Weg!“



© M.Th. Kroetz Relin 2007- erschienen in "Die Aktuelle"   Heft 47
 
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