Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
TZ - Unsere Mami, Weltstar Maria Schell
Der Frühling war noch nicht angekommen – dort oben, auf der Kärntner Alm, wo die Schells seit Generationen ihre Seelenheimat haben. Der Schnürlregen prasselte auf die Dachziegel und das spärliche Grün, als die große Maria Schell († 79) an diesem Morgen des 26. April aus einer Welt ging, in der sie als Star einmal jeder kannte. Ihre strahlend blauen Augen, ihr Lächeln, ihre schauspielerische Tiefe, ihre Schönheit – sie war das Lieblingsgesicht im Kino und auf den Illustrierten. Hollywood und seine Stars, wie Gary Cooper oder Curd Jürgens, liebten sie, und Maria Schell liebte das Leben. Nicht immer zwar, und zuletzt auch zu wenig, als sie es sich mit einem Tabletten-Cocktail nehmen wollte, doch Maria Schell war ein emotionales Kraftwerk und schon zu Lebzeiten Legende.

Ihr „kleiner Bruder“ ­ Maximilian Schell setzte ihr noch ein paar Jahre vor ihrem Tod ein filmisches Denkmal, Meine Schwester ­ Maria, das auch ihre Vergänglichkeit zeigte – ihre Krankheit, die Jahre der „Zwischenwelt“, wo sie mit Blick auf ihre Fernseher nur noch in ihren eigenen Filmen lebte und Maximilian sein Vermögen dafür gab, dass ihre Schulden sie nicht heimatlos machten. Aber das war eben nur eine Facette eines Lebens, das von kaum fassbaren Glücksmomenten, aber auch großen Tragödien geprägt war.

Für ihre Kinder Marie Theres (43) und Oliver (48) war sie hauptsächlich Mami. Nicht aus Zelluloid. Nein, eine Mami, die immer nach dem gleichen Parfüm – Vent Vert von Balmain – roch, und wenn das in die Nase stieg, war sie da, die Mami und nicht die Leinwanddiva, deren Welt-Ruhm die Kinder vor allem als Abwesenheit erlebt hatten. Und später, wenn Schlagzeilen auch sie zu Gejagten machten. Zuletzt, als Maria Schell ihren letzten Weg in ihrer Heimat Preitenegg antrat, die Fotografen auf der Friedhofsmauer mit ihren Auslöser-Salven jede Träne dingfest zu machen versuchten und Tochter Marie Theres Kroetz Relin schluchzte: „Könnt’ ihr nicht wenigstens für einen Moment aufhören!?“ Für Marie Theres ein Trauma – bis heute.
Sie konnten nicht aufhören, nein, nicht bei Marias letztem Auftritt, wo ihr 250 Trauergäste minutenlang am Grab zum Abschied applaudieren.

Was geblieben ist? Was die Welt seit fünf Jahren ohne Maria Schell ist? Ärmer. Weil ein emotionales Kraftwerk fehlt. „Sie hatte noch "Herzensbildung“, sagt ihre Tochter Marie Theres Kroetz Relin, „sie gab immer alles, was ging, egal, ob berühmt oder nicht. Sie hatte aber auch ein verbales Messer in der Tasche, mit dem sie einen niederstechen konnte.“
Geblieben sind die Filme. Und geblieben ist ­ Marias Zuhause auf der Alm. Ihre Zimmer, der Flügel – alles, wie es war. ­ Dafür sorgt Maximilian Schell, der Hüter der Erinnerung an seine Schwester.
Inzwischen findet in Marias Haus auch jedes Jahr ein Familientreffen statt – seit Marie Theres ihr Buch über die Familie zu ­schreiben begonnen hat: Wie im Nebel ­befangen – ich puzzle mir die Schells. Es ist inzwischen fertig und sucht noch einen Verlag. „Die Alm ist ja unser letztes Zuhause, nachdem das Haus in ­Heberthal bei Wasserburg verkauft werden musste.“

Aus dieser Wasserburger Zeit hat Oliver Schell noch einige ­Töpfe und auch die Knoblauchpresse. Wann immer er sie benutzt, denkt er an seine Mama. Und Marie Theres hat die Ringe, die ihr alle zu schwer sind, bis auf den einen Schlangenring, den sie der Mama mit 18 Jahren geschenkt hatte und den Maria Schell bis zu ihrem Tod trug.
Mit dem Tod der Mutter hat sich für die Kinder alles verändert. Nicht nur durch die Abwesenheit. „Wenn die Mutter stirbt, wird einem bewusst, dass die nächste Mutter, die stirbt, du selbst bist“, erklärt Marie Theres, die mit dem Dramatiker Franz Xaver Kroetz drei Kinder hat – alle inzwischen groß. „Mit Mutters Tod hat sich für mich alles verändert: Ich habe meine Hausfrauenrevolution vorangebracht, ich bin geschieden worden, verstehe mich aber mit Franz Xaver besser als je zuvor, ich arbeite als Journalistin und Buchautorin. Eigentlich alles sehr positiv.“ Franz Xaver Kroetz macht seiner Exfrau, bei der er immer noch zu Mittag isst, heute sogar via Zeitung Liebeserklärungen: Dass sie ihm mit ihrer Liebe und Beständigkeit das Leben gerettet habe. So gesehen ist Marie Theres ganz die Mama. Die es aber auch nicht verwinden kann, dass zur Beerdigung all die Leute, die sich zu Lebzeiten mit  Marias Ruhm geschmückt haben, nicht da waren.

Maria Schell würde sich, wäre sie noch da, aber sehr freuen, wenn sie sähe, was ihr Sohn inzwischen macht: Er arbeitet wieder als Schauspieler. Denn mit seiner Frau Andrea – Schauspielerin und Regisseurin – hat Oliver Schell vor dreieinhalb Jahren die Bühne Berganger im Landkreis Ebersberg aufgebaut – eine inzwischen sehr erfolgreiche Sprechtheaterbühne. „Ich wollte nie Schauspieler werden, sondern Musiker. Obwohl mir meine Mutter immer sagte: ,Ich weiß, dass du Talent hast!‘. Ich habe ja auch eine richtige Bühnenausbildung. Wenn sie das noch hätte erleben können, dass ich jetzt doch als Schauspieler und Regisseur arbeite – sie wäre glücklich.“
Für Oliver Schell laufen mit der eigenen Bühne jetzt die vielen Wege zusammen, die er eingeschlagen hat. Was ihm seine Mutter Maria Schell mitgegeben hat? „Das Talent, das große Harmoniebedürfnis und die spirituelle Suche – die Frage nach dem Warum?“
Ja, und die Erinnerungen an eine Amerika-Reise – zusammen mit der Schwester Marie Theres von Los Angeles nach San Francisco, Reno und das Death Valley nach Las Vegas. „Davon zehre ich heute noch. Diese Reise hat uns drei ganz tief miteinander verbunden.“ Und das bleibt für immer!

© Ulrike Schmidt erschienen am 24.04.2010 in TZ München


 
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