Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Familienpolitische Themen

Sehr geehrte Frau Ministerin,

folgende Themen würde ich gerne vorschlagen bzw. ansprechen.

Massenarmut bei Kindern
Ein Thema, dass mich beunruhigt und mehr als beschäftigt. Am 31. August 2007 hat der Pressedienst des Deutschen Bundestages ein Info-Mail mit folgender Überschrift versandt:
Kommunale Träger für Klassenfahrtenkosten von Hartz-IV-Kindern zuständig

Mir blieb das Herz stehen. In Deutschland herrscht bei Kindern Massenarmut! Rund 3 der 14,9 Millionen Kinder sind arm und etwa eine Millionen ist auf Sozialhilfe angewiesen. Von Regierungsseite einen Begriff wie "Hartz-IV-Kinder" in die Welt zu setzen, finde ich wesentlich rassistischer und gefährlicher, als die dümmlichen Bemerkungen einer Eva Hermann zum Nationalsozialismus. Ich schrieb eine Kolumne darüber. Ein Kommentar zu meiner Kolumne verschlug mir dann den letzten Atem:

Ich habe den Doktor gewechselt, als bei meinem langjährigen Hausarzt ein Riesenschild in der Praxis auftauchte (wörtlich):

"Rentner, Arbeitslose und Hartz IV - Empfänger werden ab sofort nur noch nachmittags behandelt. Ausnahme: Von uns festgestellte Dringlichkeit!"

Wie denken Sie darüber?


Ehegatten-/Familiensplitting:

Das dieses Geld bzw. Steuerersparnis den Familien zu Gute kommen sollte, ist klar.
Aber ich denke, es wäre sinnvoller, wenn dieses Geld der erwerbslose Partner, sprich der, der die Kindererziehung übernimmt, erhalten würde. Ich habe in den Jahren meiner Ehe keinen einzigen Cent von diesem Geld gesehen.
Dieses Geld würde a) den erwerbslosen Partner mit einem Mini-Einkommen „segnen“ – sprich die „Hausarbeit würde staatlich anerkannt und somit aufgewertet werden b) könnte der erwerbslose Partner dadurch eine private Altersvorsorge treffen (siehe Altersarmut)

Um den Vorschlag zu erweitern:
Noch sinnvoller wäre es, wenn dieses Geld gleich in eine „Elternzeit-Sozial-Versicherung“ fliessen würde. Ähnlich dem System der Künstlersozialkasse. Dadurch hätte der erwerblose Partner seine Sozial- und Krankenversicherung, wäre somit ein wenig unabhängiger und hätte kein “Loch“ durch die Erziehungszeiten.

Steuerrecht allein erziehender Mütter:

Die Besteuerung von Patchwork-Familien verstehe ich nicht. Sobald Mutti wieder einen neuen Mann bei sich einziehen lässt, verliert sie die Lohnsteuerklasse II für Alleinerziehende und fällt dann in die Lohnsteuerklasse I. Änderung hier erwünschenswert!



Ehe auf Zeit/ Scheidung:

Ehe auf Zeit halte ich für unrealistisch. Aber eine schnelle Scheidung und reformierte Gesetze empfinde ich als absolut notwendig. In vielen anderen europäischen Ländern ist eine Blitz-Scheidung schon längst Praxis.

Altersarmut:

Ein wichtiges Thema, was mich sehr beschäftigt. Wir alle wollen alt werden, aber nicht sein. Familien, speziell Frauen, haben im Alter magere Zukunftsaussichten.

Beispiel Erika:

Ich bin 60 Jahre alt und erhalte eine Witwenrente von 344,94 Euro im Monat. Um zu überleben, bezahlt mir das Sozialamt die sogenannte „Grundsicherung“ von 307,05 Euro seit Januar, bis Dezember 2006 waren es 4 Euro weniger.

Also verfüge ich über ein Gesamteinkommen von 651,99 Euro pro Monat. Die Miete für meine 2-Zimmer-Wohnung beträgt 350 Euro monatlich incl. Nebenkosten und Strom.
Dann gehen meine Versicherungen und sonstigen Kosten ab. Die Zeitungen habe ich abbestellt, die Telefonrechnung bezahlen meine Töchter.

Mir bleiben etwa 200 Euro im Monat für Lebensmittel, Unterhaltung, Garderobe, Reisen, Ausgehen. Die letzten vier Punkte sind ersatzlos gestrichen. Meine Kinder sorgen für einen neuen Pulli oder eine Hose ab und zu und zum Essen werde ich manchmal eingeladen.

Wenn meine eigene Rente fällig wird, bekomme ich 214 Euro im Monat. Die werden aber sofort von der „Grundsicherung“ abgezogen. Ich habe nur Anspruch auf 650 Euro im Monat! Die offizielle Armutsgrenze liegt bei 856 Euro.

Ich habe meine vier Kinder großgezogen und nur sporadisch arbeiten können, ich hatte weder Oma noch Tante greifbar, die mir mal die Kinder abgenommen hätten. Als das letzte Kind aus dem Gröbsten herauswuchs war ich so krank, dass ich nicht mehr fähig war, eine Arbeitsstelle anzutreten...

Dieses Beispiel ist typisch für viele Frauen, die mehrere Kinder großgezogen haben und auch teilweise berufstätig waren. Meine eigene Rente entspräche derzeit dem aktuellen Stand von 213,92 Euro und sollte ich bis zur Regelaltergrenze weiter einzahlen wie in den letzten 5 Jahren, dann wären es 411,65 Euro.


Betreuungssystem:

Den Müttern in Deutschland wäre schon massiv geholfen, wenn es bundesweit einheitliche und verlässliche Schulzeiten eingeführt werden.
In den meisten Ländern Europas ist dies selbstverständlich. Bei uns hat jedes Kind einen anderen Schulschluss. Das erschwert den Frauen die Wiedereinstiegschancen in den Beruf.

Hausfrauen auf Mini- Job- Basis für das fehlende Betreuungsmöglichkeiten:

Eine weitere Variante wäre Hausfrauen auf Mini- Job- Basis zu engagieren. Das System wäre einfach realisierbar und würde den Staat wenig kosten:
- die Schule wäre der „Arbeitgeber“ und würde die Hausfrau für die Übergangszeiten (vom Schulschluss bis zum Abholen durch die Eltern) auf Mini- Job- Basis engagieren.
- Die berufstätigen Eltern, welche die Hausfrauen- Betreuung in Anspruch nehmen müssten, würden durch einen kleinen monatlichen Beitrag die Mini-Job-Basis finanzieren.
- Die Räumlichkeiten hierfür wären in den meisten Schulen bereits gegeben.

Vorteile:
Viele Hausfrauen haben keine beruflichen Wiedereinstiegschancen. Aber sie haben durch ihr langjähriges Mutterdasein die Fähigkeit, Kinder und Jugendliche gut zu betreuen und um zum Beispiel mit ihnen die Hausaufgaben zu machen.
- die Hausfrau hätte somit a) ein minimales Einkommen = mehr Selbstwertgefühl b) eine Sozial- und Krankenversicherung c) schlussendlich einen Beruf
- die berufstätigen Eltern hätten durch einen kleinen monatlichen Beitrag ein Betreuungssystem und können so eventuell auch einen Job in der nicht direkten Umgebung annehmen (gerade auf dem Land sind es die Fahrten die viel Zeit beanspruchen)
Nachteil:
- Es müsste eine Pädagogisches Seminar bzw, eine Grundkurs für diese Hausfrauen eingeführt werden (z.B. durch das Arbeits- oder Jugendamt) um die Fähigkeiten der Hausfrauen zu überprüfen
- Ein Gesetz müsste entworfen werden, dass Hausfrauen auf Mini-Job-Basis zulässt

Eigeninitiative nicht bestrafen:

Ich kenne mehrere Fälle, bei denen Eigeninitiative bestraft wird.

Beispiel Angela, Sozialpädagogin:

Alleinerziehende Mutter von 5 Kindern, 1 Kind an Diabetes Typ 1 erkrankt, der Vater Kinder kümmert sich nicht finanziell, da Frührentner. Die Frau lebt von Sozialhilfe, möchte gern arbeiten, kann aber auf Grund der Erkrankung ihres Sohnes nicht. Die 16-jährige Tochter jobbte beim Badischen Staatstheater, verdiente knappe über ein Jahr verteilt 1000 Euro und finanzierte sich damit die Musikausbildung. Aber das Geld wurde nachträglich als zusätzliches Familieneinkommen angerechnet, die Rückforderung musste die Mutter bis April 2007 zahlen.
Ein Kind, dass mit Engagement versucht, der Mutter „nicht auf der Tasche zu liegen“, sondern sie durch Eigeninitiative zu entlasten, sollte nicht bestraft werden, oder?

Beispiel Praktikum:

Bemüht sich ein Arbeitsloser aus eigenen Kräften heraus um ein Praktikum, um danach vielleicht in ein Beschäftigungsverhältnis übernommen zu werden, wird das Praktikum, auch wenn es nur 50.- Euro einbringt, als Beschäftigungsverhältnis angesehen und das Arbeitslosengeld gestrichen bzw. zurückgefordert!
Wäre er weiterhin „untätig“ geblieben, hätte er das volle Arbeitslosengeld erhalten.

Demnach: Eigeninitiativen nicht bestrafen, sondern die fördern, die guten Willens sind.



Vergünstigungen für Familien:

a) Pass für kinderreiche Familien

Den Pass „kinderreiche Familie“ gibt es in Spanien (ist zwar ein Überbleibsel aus Francos Zeiten, aber wenigstens ein sinnvolles). Dieser Ausweis gilt ab 3 Kindern und bringt Vergünstigungen bei allen staatlichen Einrichtungen: Musikunterricht 50 %, alle Sportarten 50 %, alle Verkehrsmittel 50%, Flugreisen 20 %, alle Museen kostenlos etc.
Halte das für eine sehr sinnvolle Einrichtung, welche kinderreiche Familien wirklich entlastet. Der Ausweis ist nach Anzahl der Kinder gestaffelt- je mehr Kinder, desto mehr Rabatt.

b) öffentlich Verkehrsmittel für Kinder bis zum 14 Lebensjahr umsonst
c) sowie Museen etc. wären wünschenswert und ein großer Anreiz für Familien
d) Steuersenkung auf Produkte für Kinder, Tiernahrung hat doch auch nur 7% Mwst.

Firmen und Familie:

- Firmen die einen betriebseigenen Kindergarten führen, sollten steuerlich begünstigt werden.
- erweiterter Kündigungsschutz für Familienväter und -mütter (speziell bei mehreren Kindern) denkbar und eine Erleichterung- für die ganze Familie


Häusliche Gewalt an Frauen:

Häusliche Gewalt ist ein wichtiges Thema: Die Gewalt gegen Frauen nimmt weltweit zu. In Deutschland sterben alle 4 Tage 3 Frauen durch häusliche Gewalt, getötet durch ihren Lebenspartner. 300 Frauen im Jahr werden Opfer der Gewalt und müssen mit ihrem Leben bezahlen. In England wird alle 3 Tage eine Frau getötet und in Portugal geben 52,8% der Frauen an, gewalttätig, durch ihren Ehemann, Liebhaber oder Lebensgefährten behandelt worden zu sein. In Frankreich schaut es ähnlich aus, wir erinnern uns alle an das dramatische Ende der gefeierten Schauspielerin Marie Trintignant, die am 2. August 2003, an den Folgen durch brutalste Körperverletzung ihres Lebensgefährten starb. Die häusliche, familiäre Gewalt hat viele Formen. Die Zahlen der EU- Staaten sind erschreckend, tausende Frauen werden bedroht und misshandelt, weit über 600 getötet, die wenigsten Täter werden angezeigt, die Dunkelziffer der Straftaten ist hoch und die Opfern erhalten viel zu wenig Hilfe.

Oficina de Mujeres- Frauenbüros:

In Spanien gibt es ein sehr erfolgreiches Projekt: die Frauenbüros. In meinem Nachbarort, einer 500 Seelengemeinde, gibt es so eine Anlaufstelle. Eine Frau die sich von häuslicher Gewalt bedroht fühlt, findet dort umgehend und kostenlos Hilfe. In dem kleinen Büro sind a) eine Psychologin (die abgesehen von der Hilfe auch den Fall prüft), ein Anwalt, der über die Rechte aufklärt und eine Sozialarbeiterin. Jeder Fall wird individuell behandelt. Viele Frauen gehen trotz häuslicher Gewalt wieder nach Hause, durch die Frauenbüros ist aber die Geschichte der Frau bekannt und im Notfall ist jemand für sie und die Kinder da bzw. sie weiß sofort, wohin sie sich wenden kann. Viel Gewalt wurde so vermieden, in erster Linie auch durch Aufklärung.

Studie zur Häusliche Gewalt, von der Frauen wie Kinder gleichermaßen betroffen sind (dies kurz-, mittel- und langfristig):

Nötig wäre endlich eine Studie in Auftrag zugeben, welche die ökonomischen Kosten von Gewalt in der Familie ans Tageslicht bringt.
Im Anhang 1 Seite Synopsis vorhandener Studien aus anderen Ländern. Deutschland ist hier mal wieder rückschrittlich.
Mit einer solchen Studie bzw. den Ergebnissen hätte man Argumente in der Hand (in Euro!), die auch der schlimmste Macho nicht mehr ignorieren kann. Zugleich käme die Problematik aus einer Perspektive auf den Tisch, die auch verschlafene Medien zum Aufwachen bringen würden.


Gewalt bei Schwangerschaft und Geburt:

Gewalt in der Geburtshilfe- was manche Frauen im Kreissaal ertragen müssen, ist mehr als ein Skandal. Die Frauen werden durch unterschiedlichste "Methoden" traumatisiert, und den gerade zu Welt kommenden Kindern wird das sicher auch nicht gut tun.
Wenn Sie wollen, kann ich Ihnen 2 Berichte aus der Praxis zukommen lassen, von einer erfahrenen und engagierten Hebamme (Tara Franke).

Gewaltmissbrauch im Internet und bei Computer- Spielen:

Das Internet und die Spiele-Industrie geht über Leichen und ahnungslose Eltern- hier müssten dringend stärkere Kontrollen zur Altersfreigabe her. Zum Schutz unserer Kinder.



Schulsystem:

Hier hätte ich einen ganzen Katalog zum aufschreiben, mit dem Fazit, dass das Schulsystem reformiert werden müsste. Aber das ist ja sowieso klar.

Spielend lernen.
Das wäre als Motto erwünschenswert. Kleinere Klassen, angenehme Umgebung, mehr in Bildung investieren, Talente fördern, bessere Ausbildung von Lehrern und Mütter, die oft intellektuell gar nicht in der Lage sind, ihre Kinder schulisch zu unterstützen, dieser Pflicht entbinden.



© Marie Theres Kroetz Relin 2007 - Das Treffen mit der Familienministerin fand am 01.10.2007 statt.
 
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