Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Kanaren Express: Leidenschaftliches Plädoyer für die Hausfrauen


Marie Theres Kroetz Relin ist eine selbstbewusste Frau, die ihren Weg zu sich selbst gefunden hat. Dabei haftete ihr lange Zeit als Tochter der bekannten Schauspielerin Maria Schell und später als Ehefrau des Schauspielers, Regisseurs und Autors Franz Xaver Kroetz immer wieder das Wörtchen „von“ an. Schon in jungen Jahren stand sie selbst erfolgreich auf der Bühne, wurde mit mehreren Auszeichnungen als Nachwuchstalent der deutschen Schauspielerriege gefeiert, bis sie der Liebe ihres jungen Lebens begegnete, mit 22 Jahren Mutter wurde, drei Kinder bekam und selbst in der Schublade „Hausfrau und Mutter“ verschwand. Wie viele andere weibliche Wesen ordnete sie ihre eigenen Bedürfnisse der Karriere ihres Mannes und dem Wohl ihrer Kinder unter.

Während viele andere Frauen dort ihr Leben lang stecken bleiben, hat sie nach erfüllten Mutterglücks-Jahren den Befreiungsschlag gewagt und ist damit auch für alle anderen Frauen in die Bresche gesprungen. Sie rief vor rund sechs Jahren die Webseite www.hausfrauenrevolution.com ins Leben. „Ich war damals gerade krank, ans Bett gefesselt und so besorgte ich mir einen Laptop, um mir die Zeit zu vertreiben. Ich beschloss das Leben der Frauen, speziell der Hausfrauen, zu verändern. Ich weiß, wovon ich spreche, denn ich spreche aus eigener Erfahrung. Dabei macht es keinen Unterschied, ob man an der Seite eines berühmten oder eines „normalen“ Mannes lebt. Tatsache ist, dass Hausfrauen einfach nicht ernst oder wahrgenommen werden. Man traut ihnen keine Meinung zu aktuellen Themen zu, betrachtet sie als seltsame Gattung in einer an Karriere orientierten Gesellschaft und vergisst dabei, welche enorme Leistung sie an 365 Tagen des Jahres in ihrem 24-Stunden-Job ohne jegliche Anerkennung erbringen“, erklärt Marie Theres.

Fliegende Schweine und strampelnde Mütter

Das Logo der Webseite und Maskottchen der Revolution wurde ein Schwein und der Satz „If pigs could fly“ – ein Ausspruch, der in der englischen Sprache so viel bedeutet wie „Unmögliches möglich machen“. Nicht ohne ein Quäntchen Humor beschreibt die „Revoluzzerin“ die Parallelen, die sie zwischen Schwein und Frau sieht.  „Das Schwein ist das älteste Haustier. In Gefangenschaft leidet es. Es ist hoch intelligent und wird gleichzeitig unterschätzt. Es ist sehr reinlich, aber gezwungen, im Saustall zu leben. In manchen Kulturen ist es eine Muttergöttin, in anderen gilt es als unrein. So wie es ja auch für viel Positives stehen kann, wie in Glücksschwein, Sparschwein oder Schwein gehabt. Aber es kann eben auch ein Schimpfwort sein“.

Wichtig ist Marie Theres vor allem die Anerkennung der Frau. „In unserer Gesellschaft liegt vieles im Argen, es ist nicht damit getan, in den ersten Jahren Erziehungsgeld zu zahlen. Kinder kosten, wenn sie älter sind, noch viel mehr als am Anfang, aber dann gibt es keine Hilfen mehr. Frauen entscheiden sich immer später dazu, Mutter zu werden und wir haben eher eine „Oma“-Kind-Generation anstatt junge Mütter. Zu wenig vorhandene Kinderbetreuungsplätze machen es Frauen schwer, berufstätig zu werden. Vor allem in Deutschland sind Kinder nicht sehr willkommen. Dazu kommt, dass Kinder und Frauen immer mehr von Armut betroffen sind und das ist nicht gut“.

Vor allem nachdem Ehen heutzutage oft nicht mehr halten, bis der „Tod sie scheidet“, stehen viele Frauen nach jahrelanger Haus- und Mutterarbeit plötzlich vor einer gescheiterten Beziehung, müssen sich neu orientieren und auf eigenen Füßen stehen. Dann haben sie aber bereits zu viel Zeit verloren, um sich eine vernünftige eigene Rente zu sichern und rutschen in die so genannte Altersarmut ab. Alleinerziehende Mütter und ihre Sprösslinge leben oft am Rande der Armutsgrenze, im ständigen Kampf ums Überleben. „Ich finde, da muss etwas geändert werden – wir brauchen nämlich wieder mehr Kinder. Es muss einen Ausgleich für die Frauen geben, die sich in Rentenansprüchen niederschlägt. Wir brauchen mehr Mini-Jobs für Frauen, die etwas verdienen wollen und vor allem sollte die Arbeit, die viele Mütter still und heimlich zu Hause leisten, endlich gewürdigt werden“. 

Marie Theres ist weder ein Hausmütterchen, noch eine Emanze, sie ist einfach Frau und kennt die vielen Facetten, aus denen sich ein Frauenleben zusammenfügt, wenn man sich für Kinder entscheidet. Sie möchte ein Umdenken, eine Befreiung vom Schubladendenken, mehr Chancen, finanzielle Unabhängigkeit und Anerkennung für alle, egal für welchen Weg sich Frau entscheidet.

Teneriffa – die Wiege der Revolution

Seit 1996 hat sie ihren Wohnsitz nach Teneriffa verlegt und zieht ihre Fäden von der Insel aus. „Ausschlaggebend war, dass zwei unserer Kinder an schwerem Asthma erkrankten. Der Kinderarzt riet zu einem Klimawechsel – die beiden Kleinen bekamen in Deutschland sprichwörtlich keine Luft mehr. So entschieden wir uns für Teneriffa und haben es nie bereut. Das Asthma ist völlig verschwunden, aber wir sind immer noch da“.

Gerade auch das Gefühl, dass Kinder in der spanischen Gesellschaft willkommen sind und eine Rolle spielen, hat dazu beigetragen, dass sie sich hier zuhause fühlen. „Manche Dinge, wie zum Beispiel die Vorschule und regelmäßige Schulzeiten, sind hier besser gelöst“, bestätigt sie ihre positiven Erfahrungen auf Teneriffa, die sie dazu bewogen hat, auch nach ihrer Scheidung auf der Insel zu bleiben.  Auch die Hausfrauenrevolution wurde von Teneriffa aus angeheizt.  Hinzu kam, dass Marie Theres 2002 eine Rolle in dem TV-Krimi „Denninger“ angeboten wurde. Sie packte diese Chance beim Schopf und begab sich, wie sie es selbst schmunzelnd bezeichnet, auf „Filmset-Sightseeing-Urlaub“. Die Popularität nutzte sie auch, um die Hausfrauenrevolution bekannter zu machen. „Am ersten Tag hatten wir bereits 2.700 Klicks, das war Wahnsinn und bestätigte uns, dass es ein Thema war, das viele Frauen beschäftigte. Nach und nach wurde ich als Hausfrauen-Expertin zu Talk-Shows eingeladen und nutzte meine neue Popularität, um meine Idee bekannt zu machen. Mittlerweile sind andere prominente Frauen auf den Zug aufgesprungen, haben Bücher veröffentlicht und haben den Boom, den ich angezettelt habe, ausgeschlachtet“.

Trotz der positiven Resonanz, den die Webseite ausgelöst hat, ist Marie Theres heute nicht sehr glücklich über den Stand der Dinge. „Ich habe Bücher über/für Frauen und unsere Revolution geschrieben, aber wirklich bewegt hat sich wenig. Das liegt auch daran, dass ich leider eingestehen muss, dass viele Frauen mir zwar immer wieder bestätigt haben, wie Recht ich habe, aber wenn es darum geht, aktiv zu werden und wirklich zu verändern, bleiben die meisten doch lieber jammernd an ihrem Küchentisch kleben. Nach den vielen Büchern und Essays für die Frauen bin ich mittlerweile so weit, dass ich am liebsten gegen die Frau schreiben würde“. Dieses Buch würde dann eher von dem Nicht-aktiv-werden und Stutenbissigkeit handeln, erklärt Marie Theres ihren Kampf gegen Windmühlen, die leider nicht nur männlich sind.

Auf zu neuen Ufern

Trotzdem hat sie die Revolution nie bedauert, sondern frei nach dem Motto „Umwälzung fängt bei dir selber an“, hat diese ihr geholfen, Denkanstöße zu geben und vor allem ihr eigenes Leben umzukrempeln. Sie wurde Autorin mehrerer Bücher; im Oktober ist ihr Kinderbuch „Der kleine Dichter“ erschienen – ein charmantes Ausmalbuch mit einer entzückenden Geschichte, das sogar das Prädikat „wertvoll“ erhalten hat. Die Schauspielerin ist in eine neue Rolle geschlüpft – sie wurde auch Autorin und Illustratorin oder schreibt Kolumnen. Rund ein Jahr lang arbeitete sie im Auftrag des Rowohlt Verlags an einem Buch über ihre prominente Familiengeschichte. „Ich habe die Schell-Saga bis 1836 zurückverfolgt und zusammengepuzzelt. Dazu bin ich viel gereist und habe sogar alte Tagebuchaufzeichnungen meiner Großmutter und Urahnen aufgestöbert, die ich als Originaldokument in das Manuskript eingeflochten habe. Meine Familiengeschichte spielte in Deutschland, Österreich, Italien, Slowenien und der Schweiz. Ich habe viele interessante Persönlichkeiten entdeckt. Meine Ur-Großmutter war zum Beispiel Harfinistin und mit Franz Liszt befreundet. Ich habe sogar ein bisher unbekanntes Foto mit ihr und Liszt gefunden. Schon meine Urururgroßmutter war Schauspielerin, sie hatte acht Kinder und starb schon mit 42 Jahren – auch sie war eine faszinierende Persönlichkeit.

Ich hatte einen Großvater, der als Theologe und Philosoph kluge Dinge von sich gegeben hat. Umso erschütterter war ich, als man mir vom Verlag lapidar mitteilte, dass sie das Buch so nicht drucken würden. Man wollte von mir Klatsch und Tratsch aus einer Künstlerfamilie. Aber dazu war ich nicht bereit. Ich will das Leben meiner Vorfahren nicht kommentieren, das steht mir nicht zu und auch meine ganz private Seite möchte ich nicht öffentlich breit treten. Es hat mich viel Mühe gekostet, die Rechte an meinem Buch zurückzufordern und jetzt liegt es in der Schublade. Ich finde das sehr schade“, kommentiert sie ihre Enttäuschung über die Verlagspolitik.

Trotzdem lässt sie sich von solchen Rückschlägen nicht unterkriegen. Marie Theres ist eine natürliche Frau ohne Starallüren, die es geschafft hat, einen Weg zwischen Frau, Mutter und Beruf zu finden, der sie ausfüllt. „Ich habe für mich geschafft, was ich für alle Frauen mit meiner Revolution in Gang bringen wollte. Ich bin glücklich, finanziell unabhängig und gehe meinen Weg, so wie er mir gefällt. Jetzt gerade mache ich zum Beispiel eine offizielle Ausbildung zur Heilprakterin und Homöopathin.  Das ist ein Thema, mit dem ich mich schon lange beschäftige und das mir eine Freundschaft mit der Frauenärztin Karin Gorthner gebracht hat. Sobald ich meine Prüfung abgelegt habe, wollen wir in ihrer Praxis in Puerto de la Cruz zusammen arbeiten und darauf freue ich mich schon sehr“.

Vielleicht hat Marie Theres es nicht geschafft, alle Frauen von ihren Küchentischen wegzulocken, aber sie hat mit Sicherheit Impulse gesetzt, die sowohl in gesellschaftlichem Sinne als auch im Leben einiger Frauen Spuren hinterlassen haben. Vor allem aber hat sie die Revolution für sich selbst umgesetzt und bewiesen, dass es machbar ist, als Frau viele Facetten auszuleben und dabei Glück zu finden. Auch wenn Schweine niemals fliegen werden, so hat es trotzdem jede Frau selbst in der Hand, Unmögliches möglich zu machen.


© Sabine Virgin, erschienen im Kanaren Express am 15.12.2008

 

 

Bildergalerie: Leidenschaftliches Plädoyer für die Hausfrauen
Marie Theres ist eine feminine Power-Frau. Mit ihrer Hausfrauenrevolution und dem Buch  Die Rolle der Frau braucht eine neue Definition, die nur von den Frauen selbst entwickelt werden kann. Ihr eigener Befreiungsschlag hat Marie Theres Flügel verliehen, die sie bei ihrem neuen Hobby, dem Gleitschirmflug voll auslebt. 
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