Der Standard – Tochter und Nichte äußern Missbrauchsvorwürfe

ANSCHULDIGUNGEN

Tochter und Nichte äußern Missbrauchsvorwürfe gegen Maximilian Schell

Nach Vorwürfen Marie Theres Relins gegen ihren Onkel Maximilian Schell wandte sich seine Tochter Nastassja an die Öffentlichkeit. Auch sie sei von ihrem Vater sexuell missbraucht worden

Nastassja Schell Maximilian Schell
Maximilian Schell mit seiner Tochter Nastassja im Jahr 2007. Laut Nastassja Schell war die Beziehung der beiden bis zuletzt gespalten, für sie sei er zugleich „Engel und Teufel“ gewesen.
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Sie habe gedacht, das sei normal, sagte Nastassja Schell vergangenen Freitag in einem Interview mit dem deutschen Fernsehsender RTL. Die Tochter des 2014 verstorbenen Maximilian Schell ist nun die zweite, die Missbrauchsvorwürfe gegen den Schauspielstar erhebt. Zuvor hatte ihn seine Nichte Marie Theres Relin in ihrem Buch Szenen keiner Ehe angeklagt: Sie schreibt von schwerer sexueller Nötigung, die ihr als 14-Jähriger widerfahren sei. Schells Namen nennt sie darin nicht, bestätigt aber, dass es sich hierbei um ihn handelt.

Kurz darauf sprach sich also auch seine Tochter öffentlich aus. Der deutschen Bild-Zeitung erzählt sie, wie ihr Vater sie ab ihrem neunten Lebensjahr sexuell manipuliert habe. So zitiert die Bild, Schell habe ihr immer wieder erzählt, „dass es früher üblich war, dass die Väter ihre Töchter entjungfert haben“. Zwar sei es nie zu tatsächlichem Geschlechtsverkehr gekommen, doch auch „Streicheleinheiten und im intimen Bereich berührt werden ist sexueller Missbrauch. Und das hat er gemacht.“ Sie sei im jungen Alter „rangeleitet“ worden, sagt Nastassja Schell, wie sie sich „im Bett mit dem Vater zu verhalten habe“.

„Das Höschen herunten“

Nastassja Schell ist die Tochter aus Schells erster Ehe mit der russischen Schauspielerin Natalja Eduardowna Andreitschenko, sie wurde 1989 drei Jahre nach der Hochzeit geboren. Wann es konkret zu den ersten Berührungen gekommen sei, wisse sie nicht mehr, viel mehr habe das schon immer zum Alltag gehört. „Er hat mir den Rücken gekratzt und den Po, dann war das Höschen auf einmal herunten“, berichtet sie in einem Gespräch mit dem ORF.

Dass es sich dabei um kein normales Vater-Tochter-Verhältnis gehandelt habe, habe sie erst viel später erkannt. Mit 18 Jahren habe sie zum ersten Mal mit der Familie darüber gesprochen, geglaubt habe ihr jedoch niemand. Bis zuletzt blieb ihre Beziehung gespalten, gibt Schell an, so sei ihr Vater der Einzige gewesen, der „lieb“ zu ihr gewesen sei. „Mein Vater war für mich Engel und Teufel“, zitiert die Bild. Gegenüber dem Standard wollte Nastassja Schell sich nicht mehr äußern: Sie ziehe es vor, zu schweigen und auf ihre psychische Gesundheit zu achten.

Marie Theres Relin
Marie Theres Relin schreibt von schwerer sexueller Nötigung, die ihr als 14-Jähriger widerfahren sei. Den Namen ihres Onkels nennt sie darin nicht, bestätigt aber, dass es sich hierbei um ihn handelt.
APA/dpa/Armin Weigel

Nicht Bescheid gewusst habe man in der Familie über den Missbrauchsfall, den Marie Theres Relin in ihrem Buch schildert: Ihr Onkel habe sie „sexuell missbraucht, verführt, entjungfert“, zwar ohne Gewalt, aber gegen ihren Willen. Die Szene ist schwer verdaulich: „Seine Hand glitt zwischen meine Schenkel. Ich war wie paralysiert, wusste ich doch, dass ich allein in der Wohnung mit ihm war. Seine Zärtlichkeiten waren ekelhaft. (…) Ich begann am ganzen Körper zu zittern. Meine Angst verstand er als meine Erregung.“ Und weiter beschreibt Relin: „Ich wusste nicht, wie mir geschah. Er führte sein – kleines – Glied ein. Ich wehrte mich nicht, ich war wie tot. Schockstarre.“

Mitschuld Maria Schells

„Es ging ihm ums ‚Erlegen‘, viele Bambis in seinem Bett. Je jünger, desto besser“, heißt es im Buch. Der Mutter, Maximilian Schells Schwester Maria (1926–2005), selbst Schauspielerin, räumt Relin eine Mitschuld ein, indem diese die „pädophilen Neigungen“ ihres Bruders in ihrer „dämlichen Männerverehrung“ gefördert habe. Sie habe lang über das Erlebte geschwiegen, denn besonders die Mutter habe ihre Augen davor verschlossen. „Sie hätte auf Beweisen bestanden oder gar in mir eine Lolita vermutet.“ Marie Theres Relin war nicht für ein Gespräch erreichbar. Szenen keiner Ehe ist am Montag bei dtv erschienen.

Marie Theres Relin Maximilian Schell Maria Schell
Der Mutter, Maximilian Schells Schwester Maria (rechts), selbst Schauspielerin, räumt Relin (links) eine Mitschuld ein, indem diese die „pädophilen Neigungen“ ihres Bruders in ihrer „dämlichen Männerverehrung“ gefördert habe.
APA/dpa/Istvan Bajzat

Iva Schell, die Witwe des Oscar-Preisträgers, hat nach Bekanntwerden der Vorwürfe erklärt, dass ihr nichts dergleichen bekannt sei – dem widerspricht Nastassja. Bereits vor der Hochzeit mit ihrem Vater habe sie Iva erzählt, dass er „auf junge Mädchen aus ist“. Schell selbst fiel mit fraglichen Äußerungen zu sexuellem Missbrauch auf, so verlautbarte er 2013 in einer Fernsehsendung: „Dem Vergewaltiger macht’s sicher Spaß. Aber vielleicht macht’s ihr auch Spaß.“ (Caroline Schluge, 2.10.2023)

© Caroline Schluge, DER STANDARD, erschienen am 02.10.2023