Alle Bilder (c) Detlev Schneider;
Der Medien vergessener Weltstar II
Filmische Reflektionen zum 85. Geburtstag von Maria Schell

Solange du da bist... tja, aber kaum bist du jenseits, wem die Stunde schlägt – schwups, schon bist du vergessen. Ich will jetzt nicht den Engel mit der Posaune spielen und auf Moral pochen, aber mir stink es gewaltig, dass im Wald von 161 deutschsprachigen TV-Sendern, kein einziger Film zum 85. Geburtstag meiner Mama zu sehen war. Gut, auf RTL II flackerte sie kurz als Mama von Superman über den Bildschirm – 5 Minuten. Hallo? Hey, sie war ein Weltstar, ihr lag ein Millionenpublikum zu Füßen! Und ihre Fans leben immer noch: Jeder Fünfte ist über 65 Jahre alt, das ist ein Viertel der Gesamtbevölkerung!  Den Oldies hätte man den Besuch der alten Dame im Wohnzimmer doch gönnen können? Maria Schell verbildlichte nach dem Krieg Liebe und Hoffnung, Kino war wie die letzte Brücke Richtung Wirtschaftswunder. Und Schauspielkunst die Magic Box: Sie berührte durch Emotionen, mit träumenden Mund und noch mehr Herz, blieb unvergesslich als GervaiseRose Bernd oder – welch’ Frauenleben! Das Riesenrad ihrer Karriere ließ sie bis nach Hollywood abheben: Stars wie Yul Brynner (Brüder Karamasow), Gary Cooper (Galgenbaum), Glenn Ford (Cimarron) oder Marcello Mastroianni (Die weißen Nächte) buhlten um sie. Irgendwelche Medien-Ratten verwechselten ihre Gefühlsspannweite und tauften sie „Seelchen“. Darunter litt sie. Kein Schinderhannes, kein Retter in Sicht? Doch: mein Vater. Er verewigte sich in ihrem Tagebuch einer Verliebten. Dann kam ich, Marie und wir wurden eine glückliche Familie. Also fast, denn Liebe bleibt nicht ohne Schmerzen. Das Spiel der Verlierer begann: Meine Mutter wurde krank und vom Weltstar blieb nur noch eine Zerrissene übrig. Leider, so oder so ist das Leben.
Das letzte Wort haben die Medien, ich weiß. Lieber kotzt uns der Bohlen verbal in die gute Stube oder irgendein Bauer sucht seine Kuh, bevor ein Film mit ihr gezeigt wird.
Eine Mama vergisst man nicht. Es kommt ein Tag, da werde ich sie wieder sehen. Aber bis wir uns wiederseh’n, werde ich sie vermissen.


© Marie Theres Kroetz Relin, 15. Januar 2011, geschrieben für Bild am Sonntag
 
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